lautstark. 07.12.2021

Präsenzsemester: Ständiges Nachhaken belastet

Wissenschaft und ForschungCorona

Der direkte Austausch mit Studierenden und Lehrenden fehlt

Lisa Fullert studiert an der Ruhr-Universität Bochum und gehört zum Sprecher*innenteam des Landesausschusses der Studierenden der GEW NRW. Dass die Kommunikation in der Distanzlehre übewiegend per E-Mail stattfinden, empfindet sie als Belastung für alle Beteiligten. Der direkte Austausch mit Kommiliton*innen und Dozent*innen fehlt ihr.

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  • Ausgabe: lautstark. 07/2021 | Bildung, Religion, Politik: Eine Frage des Glaubens?
  • im Interview: Lisa Fullert
  • Funktion: Mitglied im Sprecher*innenteam im Landesausschuss der Studierenden der GEW NRW
  • Interview von: Annette Etges
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

Wie erlebst du die Rückkehr zum Präsenzunterricht an deiner Hochschule?

Lisa Fullert: Zu Beginn überwog die Freude darüber total: endlich wieder in Präsenz und Austausch mit echten Menschen. Endlich mal wieder Leute sehen, mit denen man im digitalen Semester nicht so viel in Kontakt war und der direkte Austausch mit den Dozent*innen hat mir auch gefehlt. Aber mittlerweile sind die Zahlen schon wieder so hoch, dass die Lage sehr unsicher ist. Also hier in Bochum ist es so, dass aktuell den Lehrenden ein bisschen selbst überlassen ist, ob sie die Präsenz weiterführen und unter welchen Bedingungen. Oder ob sie wieder ins Digitale wechseln. Dieser Zwischenstatus ist für viele Studierende schwierig. Auch mich persönlich verunsichert das. Man wechselt die ganze Zeit zwischen digital und Präsenz, muss gucken, wie man sich dann auf dem Campus einen ruhigen Ort sucht, so wie wir jetzt gerade fürs Gespräch. Das stresst mich schon ziemlich. 

Ja, es ist irgendwie die ganze Zeit angespannt, weil man nicht so richtig weiß, wie es weitergeht. Wie die Prüfungen am Ende des Semesters aussehen werden. Ich bin ein bisschen verärgert darüber, dass Clubs, Bars und alle ganz normal unter 2G-Regelungen geöffnet sind und die Leute auf engstem Raum ohne Maske zusammen sind. Und hier an der Uni sitzen alle mit Maske und sind geimpft. Das wird hier auch sehr streng kontrolliert. Und unter Umständen müssen wir doch wieder ins Digitale wechseln.

Wie wird der Präsenzbetrieb an deiner Hochschule umgesetzt?

Lisa Fullert: Was die Hygienebedingungen und die Corona-Regelungen angeht, fühlt man sich hier schon sehr sicher. Am Anfang des Semesters haben alle Studies, die geimpft wurden, einen Aufkleber für ihre Studie-Ausweise bekommen, mit dem der Impfnachweis ganz einfach ist. Und die, die nicht geimpft sind, mussten sich regelmäßig testen lassen. Das war am Anfang sehr ungünstig, weil die Tests ja noch kostenpflichtig waren. Da hatten einige Studierende schon Probleme. Jetzt, wo sie wieder kostenlos sind, ist die Regelung vollkommen in Ordnung und man fühlt sich eigentlich sehr sicher. Vor allem, weil auch alle eine Maske tragen. Da ist die Angst also relativ gering.

Würdest du dir wünschen, dass es trotz Präsenz weiterhin ein Onlineangebot gibt?

Lisa Fullert: Ja, aus ganz vielen Gründen: Zum Beispiel ist die Vereinbarkeit zwischen Studium und Beruf oder bei einigen auch Studium, Beruf und Familie viel viel besser zu organisieren als überwiegend in Präsenz oder wie eben jetzt in dieser unsicheren Lage. Man schafft mehr in einem Semester; das muss man einfach so sagen: Man hat keine Anfahrtswege und ist von Zuhause noch etwas flexibler. Wenn man sich gut organisieren kann, ist es von Zuhause auch ganz praktisch. Andererseits ist man dabei ganz schön gefordert. Das kann auch an die Psyche gehen, wenn man irgendwie nie richtig Feierabend macht und nie den Arbeitsplatz trennt vom eigenen Schlaf- oder Wohnzimmer. Da bringt beides so seine Vor- und Nachteile mit sich mit. Deswegen wäre es gut, wenn das Angebot doppelt weiterlaufen würde – also in Präsenz und Digital.

Hochschulleben bedeutet für Studierende auch sozialer Kontakt. Was ist an deiner Hochschule wieder möglich?

Lisa Fullert: Ja, da ist wieder was möglich – zumindest bis jetzt noch. Wie bei Partys und Kulturveranstaltungen gelten auch hier die regulären Corona-Auflagen. Das aktive Sozialleben tut den Studierenden schon sehr gut. Ich habe mich auch total gefreut, neue Leute kennenzulernen. Das ist ja in den letzten Semestern komplett ausgeblieben. Ich bin in den Master gewechselt und kannte quasi nur die Kommiliton*innen aus dem Bachelor.

Glaubst du Corona und die Distanzlehre beeinträchtigen deinen Studienerfolg?

Lisa Fullert: Ich bin da so ein bisschen gespaltener Meinung. Zum einen, weil ich schon denke schneller voranzukommen bei guter Organisation ohne ständige Präsenz. Gerade bei Pflichtveranstaltungen, die man einfach nur abhaken und hinter sich bringen muss, sind digitale Angebote super. Was mir persönlich allerdings negativ aufgefallen ist, sind häufiger Stress und tatsächlich auch schlechtere Noten. Ich habe meine Bachelorarbeit zum Beispiel in der Corona-Zeit geschrieben. Relativ am Anfang des ersten Lockdowns. Und die Betreuung dabei war schon wesentlich schlechter. In Präsenz hätte ich die Möglichkeit gehabt, direkt auf Leute zuzugehen und mich mit den Dozent*innen auszutauschen. 

Ich hatte noch Glück mit meinem Dozenten. Ich habe aber auch bei vielen mitbekommen, dass sie wirklich Schwierigkeiten haben, ihre Ansprechpartner*innen überhaupt zu erreichen. Man wartet ewig auf eine Rückmeldung oder eine Note, wenn man gerade zwischen Bachelor und Master steckt. Und rennt den Leuten mit super vielen E-Mails hinterher. Das sorgt ja einfach auf beiden Seiten für Belastung. Es ist schwierig. Es ist irgendwie alles noch bürokratischer geworden, weil natürlich alles über Schriftverkehr läuft. So allgemein, der direkte Austausch mit Dozent*innen fällt halt aus, weil Sprechstunden seltener sind und man sich dann natürlich nicht nach dem Seminar nochmal im Zoom Call fünf Minuten mit dem Dozenten unterhalten kann. Der direkte Austausch fehlt mir wohl am meisten – eben nicht nur mit Kommiliton*innen, sondern auch mit Dozent*innen.