lautstark. 06.12.2021

Bekenntnisgrundschulen in NRW

Grundschule

Sind katholische Grundschulen überholt?

Knapp ein Drittel der Grundschulen in NRW sind katholisch. Solche Bekenntnisschulen gibt es nur noch in NRW und in Teilen Niedersachsens. Bereichern katholische Grundschulen die Schullandschaft? Oder sollten Kirche und Bildung lieber strikt getrennt werden? Ein Pro und Kontra.

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  • Ausgabe: lautstark. 07/2021 | Bildung, Religion, Politik: Eine Frage des Glaubens?
  • Autor*in: Andrea Honecker | Dr. Hinnerk Wißmann
  • Funktion: Vorsitzende von Katholische Elternschaft Deutschlands NRW | Professor für Öffentliches Recht
Min.

Pro

Katholische Grundschulen bereichern die Bildungslandschaft

Der Bildungsanspruch katholischer Grundschulen ist laut Andrea Honecker, Vorsitzende des Landesverbands Katholische Elternschaft Deutschlands, hochaktuell.

Rund 180.000 Kinder besuchen derzeit in Nordrhein-Westfalen eine katholische Grundschule und damit eine Bekenntnisgrundschule. Ihre Eltern haben bei der Anmeldung eigens darauf geachtet oder zugestimmt, dass die Schule ihres Kindes nicht nur im Religionsunterricht, sondern fächerübergreifend im Schulalltag auf der Basis des gelebten Christentums unterrichtet und erzieht. Manch einer*einem mag das auf den ersten Blick überholt vorkommen, beim zweiten Hinsehen jedoch ist der Bildungsanspruch hochaktuell, der in den Profilen dieser Schulen formuliert wird: Da geht es um die Bewahrung der Schöpfung und um solidarisches Handeln – im Christentum die Nächstenliebe –, es geht um Toleranz, die das Bewusstsein einer eigenen Verwurzelung voraussetzt, und um Werteerziehung.

Vielen Eltern ist es wichtig, dass die Erziehung in Schule und Elternhaus Hand in Hand geht und auf derselben Weltanschauung beruht. Ein weiterer Grund für die Wahl einer Bekenntnisschule ist der Wunsch, dass die Kinder in der Schule die Hintergründe unserer Traditionen kennenlernen und erleben dürfen. Die christliche Herkunft und Bedeutung der Festtage wie beispielsweise St. Martin, Ostern oder Weihnachten soll nicht nur benannt werden, sondern diese Feste sollen auch in der Gemeinschaft der Schule gefeiert werden. Und nicht zuletzt wählen auch zahlreiche muslimische Eltern eine christliche Bekenntnisschule für ihre Kinder, weil sie ausdrücklich begrüßen, dass die Werteerziehung dort großgeschrieben wird. Bekenntnisschulen tragen in einer säkularer werdenden Öffentlichkeit dazu bei, dass das Bewusstsein über den Ursprung unserer kulturellen Tradition wachgehalten wird, und dass die aus dem Christentum gewachsenen Werte im Alltag lebendig vermittelt werden.

„Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen“, bildet laut Artikel 8 der Landesverfassung die Grundlage des Schulwesens. Solange also Eltern wünschen, dass ihre Kinder eine Bekenntnisschule besuchen, haben sie einen gesetzlichen Anspruch darauf. Zudem bereichert die Schulvielfalt in unserem Bundesland die Bildungslandschaft zum Wohl unserer Kinder.

Kontra

Religion erhält auch ohne Bekenntnisschulen Raum

Dr. Hinnerk Wißmann, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Münster, spricht sich gegen staatliche Bekenntnisschulen aus, weil sie die Gesellschaft spalten.

Ein buntes Schulangebot gehört zu einer pluralistischen Gesellschaft. Schulen mit einem klaren Profil sind wichtig – und der Faktor Religion kann ein guter Beitrag sein. Ja, wir brauchen auch katholische Grundschulen!

Nur: In NRW geht es ja gar nicht um Grundschulen in katholischer (oder evangelischer, jüdischer oder auch muslimischer) Trägerschaft, wie sie in allen Bundesländern das Schulangebot bereichern. Sondern es geht um staatliche Bekenntnisschulen – deren Träger also das Land NRW ist, und die trotzdem als katholische Schulen betrieben werden. Ein knappes Drittel der Grundschulen hierzulande sind – wie im alten Preußen – solche staatskatholischen Bekenntnisschulen. Und in etlichen Gemeinden finden wir nach wie vor überhaupt nur solche Schulen. Das gibt es nicht einmal in Bayern, wo die staatliche Bekenntnisschule schon in den 1960er-Jahren abgeschafft wurde.

Besteht darin nun ein Problem? In vielen Schulen wird nicht viel Aufhebens um die Frage gemacht, es wird gut oder schlecht Schule gehalten, unabhängig vom Status. Dennoch: Die staatliche Bekenntnisschule ist nicht nur aus der Zeit gefallen. Sie befördert ganz ohne bösen Willen der Beteiligten am Ende gesellschaftlichen Unfrieden. Denn sie unterscheidet – sie muss unterscheiden – nach „die“ und „wir“: Zunächst sind die katholischen Kinder aufzunehmen, und ansonsten darf die Schulleitung beispielsweise danach sortieren, ob „Fremdgläubige“ auch am katholischen Religionsunterricht teilnehmen. So entstehen in der gleichen Gemeinde, manchmal direkt nebeneinander, gehobene bürgerliche Schulen und „Restschulen“. Es gibt furchtbare Fälle, in denen Kinder durch die ganze Stadt geschickt werden, auf die einzige Gemeinschaftsschule, getrennt von ihren Freunden, mit sinnlosen überlangen Schulwegen.

Um der Religion einen positiven Raum zu geben, braucht es die Bekenntnisschule nicht – denn die Religionsfreiheit gilt auch in den Gemeinschaftsschulen. Alle anderen Bundesländer haben seit Jahrzehnten (fast) nur noch diese Gemeinschaftsschulen. Keine Weihnachtsfeier und kein Pfingstkonzert und erst recht kein Religionsunterricht ist dort dadurch je behindert worden. Wird es besser werden? In NRW schützt das alte Recht die staatlichen Bekenntnisschulen. Es wäre an der Zeit, das zu ändern – gemeinsam, im wohlverstandenen Interesse von Staat, Kirchen und Gesellschaft. Nur Mut!