lautstark. 09.12.2022

Transformation: „Bildung ist ein großer Hebel“

Entlastung

Interview mit Christoph Magnussen – Gründer und CEO der New-Work-Beratung „Blackboat“

Auf den Weg zur Neuen Arbeit machte sich im Mai 2017 Christoph Magnussen zusammen mit Michael Trautmann mit dem Podcast „On the Way to New Work“. Nach über 300 Interviews mit Menschen, die New Work auf ganz unterschiedliche Weise umsetzen, folgte Anfang 2022 ein Buch, das als Inspirationsquelle und Anleitung verstanden werden darf. Im Gespräch verrät Christoph Magnussen, wie Arbeit Menschen stärken und wie die Zukunft von New Work in Deutschland aussehen kann.

Download pdf | 2 mb
  • Ausgabe: lautstark. 06/2022 | New Work in Schule: Wie willst du arbeiten?
  • im Interview: Christoph Magnussen
  • Funktion: Gründer und CEO der New-Work-Beratung „Blackboat“
  • Interview von: Sherin Krüger
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

In Episode 100 Ihres Podcasts sagt der Philosoph und New-Work-Begründer Frithjof Bergmann: „Bisher haben wir Arten und Weisen erfunden, Menschen zu erschöpfen. Aber nicht wirklich, ihnen zu leben zu helfen.“ Wie kann Arbeit denn zu etwas werden, das Menschen stärkt? 

Christoph Magnussen: Um eine Antwort zu finden, müssen wir uns klarmachen, was Frithjof auch gesagt hat: Nämlich, dass Arbeit auch ekstatisch und mitreißend sein kann und wir unsere Arbeit lieben dürfen. Wir sprechen oft von einer Work-Life-Balance und versuchen, Arbeit vom Rest unseres Lebens zu trennen. Dabei sollte sie – und das macht sie de facto ja auch – eine große Rolle spielen.

Wenn wir das anerkennen, fangen wir automatisch an zu überlegen, was wir denn ändern müssen, um das auch wirklich so zu fühlen, um New Work wirklich als solche zu leben. Dann gibt es die Frage nach dem Sinn, den wir in Arbeit finden. Das passiert individuell und führt im Zweifel dazu, dass wir uns einfach eine neue Arbeit suchen, wenn uns die bisherige nicht mehr passt. Klar, nicht alle können das aufgrund ihrer Konstitution, ihrer finanziellen Situation oder weil das System, in dem wir leben, für manche Arbeiten bestimmte Voraussetzungen vorsieht. Denken Sie an Schulabschlüsse, Studiengänge, Meisterausbildungen und dergleichen!

Insofern ist Bildung ein großer Hebel, um New Work zu ermöglichen. Dabei geht es nicht allein darum, dass wir unseren Kindern heute neue Möglichkeiten an die Hand geben, sich morgen so zu entfalten, dass sie gestärkt ins Berufsleben gehen und beispielsweise in der Schule Methoden und Denkweisen kennenlernen, anhand derer sie sich ihrer Stärken bewusst werden. Sondern es geht vor allem darum, dass der jetzt bereits arbeitende Teil der Gesellschaft sich weiterbildet und weiterentwickelt, um letztlich die Organisationen zu wandeln, innerhalb derer wir uns zusammenfinden.

New Work ist wesentlich verbunden mit Werten wie Sinnhaftigkeit, Freiheit oder Selbstständigkeit. Die allermeisten Organisationen würden diese Werte sofort unterschreiben. Eine echte Transformation wagen dennoch die wenigsten. Wie können Organisationen einen Anfang machen und worüber sollten sie sich in jedem Fall bewusst sein?

Christoph Magnussen: New Work ist ein Konzept, das in Zeiten der Krise entstanden ist. Schließlich hat Frithjof Bergmann in den 1980er-Jahren mit seiner Idee einer Neuen Arbeit drohenden Massenentlassungen in einer US-Automobilfabrik entgegengewirkt. Seine Idee von New Work hat genau das bewirkt. Das haben die wenigsten auf dem Schirm, wenn wir heute über New Work sprechen und es fälschlicherweise als Luxus angesehen wird, den man sich erst oder nur leisten kann, wenn eine Unternehmung gut läuft.

Das zeigt, worauf es vor allem ankommt: auf den Mut und den Willen, anzupacken. Gerade jetzt, wo so viel Unsicher-heit herrscht. Und dann beginnt New Work schon damit, die Kommunikation zu regeln. Wer spricht wann, wie und wo mit wem? Darauf braucht es im ersten Schritt Antworten, denn Kollaboration ist Kommunikation. Klingt trivial, erfordert aber einiges.

Wie hat sich New Work in Deutschland entwickelt, seitdem Sie sich auf die Reise gemacht haben? Und welche Zukunft sagen Sie ihr voraus?

Christoph Magnussen: Wir dachten am Anfang unserer Reise, dass wir irgendwann ankommen werden. Dann wurde uns klar: New Work ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortwährender Prozess. Mittlerweile ist der Begriff ja in bestimmten Kreisen omnipräsent und man könnte denken, wir wären recht weit gekommen. Aber laut Umfragen können 70 Prozent der Deutschen nichts mit dem Begriff New Work anfangen. Gleichzeitig passieren in ganz vielen Organisationen schon Veränderungen, die im Sinne des New-Work-Konzepts sind. Das muss auch so sein, weil Fachkräftemangel und andere Entwicklungen Handlungsbedarf erzwingen. Es muss sehr genau überlegt werden, wie man sich für die Zukunft aufstellen und wie Arbeit aussehen kann, die wirklich, wirklich etwas bewegt – gesellschaftlich und individuell.