lautstark. 09.12.2022

Grundschule: Wie über den Holocaust sprechen?

GrundschulePolitische Bildung

Praxistipps für Lehrkräfte

Sollten Nationalsozialismus und Holocaust bereits in der Grundschule thematisiert werden? Worauf sollten Lehrkräfte achten? Welche Art der Vermittlung eignet sich besonders? Wie können die schwierigen Inhalte altersgerecht vermittelt werden?

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  • Ausgabe: lautstark. 06/2022 | New Work in Schule: Wie willst du arbeiten?
  • Autor*innen: Sabrina Thomas, Silke vom Bruch
  • Funktion: Grundschullehrerinnen und Kinderbuchautorinnen
Min.

1) Fächerübergreifendes Lernen sinnvoll

Das Thema Nationalsozialismus und Holocaust ist für die Grundschule in NRW nicht verpflichtend. Es gibt aber Anknüpfungspunkte in den Lehrplänen, sodass die Thematik im Primarbereich fächerübergreifend im Sach-, Deutsch- und gegebenenfalls im Religionsunterricht oder in Praktischer Philosophie behandelt werden kann. Oft wird vergessen, dass Kinder bereits (problematisches) Vorwissen im Hinblick auf die Zeitgeschichte erworben haben, beispielsweise durch Berichterstattungen in den Medien anlässlich von Gedenktagen wie dem anstehenden Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2023. Ohne eine Auseinandersetzung mit der Thematik besteht die Gefahr, dass Kinder Ängste aufbauen oder dass Vorurteile entstehen. In anderen Ländern ist die Thematik seit Langem Bestandteil der (früh-)kindlichen Bildung.

2) Historisches Wissen vermitteln

Behandelt werden kann das Thema ab der Klassenstufe 4 – nach Einschätzung der Lehrkraft auch bereits ab der Klassenstufe 3. Unabhängig von der Leistungsstärke einer Lerngruppe kann historisches Wissen beispielsweise anhand einer Zeitleiste und entsprechender Sachtexte vermittelt werden. Auch der Aufbau eines Fachwortschatzes zur Erarbeitung des Themas ist sinnvoll und möglich. 

3) Kinderbücher bereichern das historische Wissen

Insbesondere zeitgeschichtliche Kinderbücher veranschaulichen und bereichern die historischen Kenntnisse der Grundschüler*innen. Ihnen wird durch die Lektüre ein motivierender, zum Miterleben anregender affektiver Zugang geboten, der gegebenenfalls auch Identifikationsmöglichkeiten offenbart. Nachdem die Klasse entsprechende Kinderbücher gelesen und besprochen hat, können sich die Schüler*innen das bereits zuvor anhand von Sachtexten erarbeitete historisch Geschehene besser vorstellen und reflektieren. Im Zuge des literarischen Lernens befassen sich die Schüler*innen außerdem mit stereotypen Darstellungen und Hitlerzentrismus. 

4) Emotionen zulassen

Wie bei anderen sensiblen oder aufwühlenden Themen, beispielsweise Klimawandel, Krieg und Tod, ist eine eventuelle Traurigkeit der Schüler*innen zuzulassen, ohne dass die Lehrkraft bewusst Emotionen einfordert oder forciert. Alle Fragen sollten beantwortet werden. 

5) Kontextualisieren und Antisemitismus vorbeugen

Während der Unterrichtseinheit können Schüler*innen ihr Vorwissen und familiäre Erzählungen einbringen. Wenn es dabei um Widerstand, Retten oder Helfen deutscher Nichtjuden geht, sollten diese Berichte mit dem schulisch erworbenen historischen Wissen verknüpft werden. Dieses beinhaltet auch, dass über sechs Millionen Juden, aber auch Sinti und Roma, Homosexuelle und politisch Andersdenkende ermordet wurden. Um nicht in der Vergangenheit zu verharren und um Antisemitismus vorzubeugen, sollte heutiges jüdisches Leben thematisiert und es sollten insbesondere Kontakte zu Menschen jüdischen Glaubens hergestellt werden.