lautstark. 09.12.2022

Schule: Gemeinsam in der Region für digitale Teilhabe

MedienkompetenzDigitalität im UnterrichtFortbildung

Neue Formate der Zusammenarbeit im Projekt „Schule und digitale Bildung“

Wohl einmalig in Art und Umfang in NRW ist das Kooperationsprojekt Schule und digitale Bildung im Kreis Gütersloh. Dort ziehen alle an Schule Beteiligten an einem Strang, kommen Schulaufsicht, Schulträger, Schulleitungen und Kollegien auf Augenhöhe zusammen. Grenzen innerer und äußerer Schulangelegenheiten sollen überwunden und Lehren und Lernen in der digitalen Welt selbstverständlich werden.

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  • Ausgabe: lautstark. 06/2022 | New Work in Schule: Wie willst du arbeiten?
  • Autor*in: Sherin Krüger
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

Schule und digitale Bildung setzt auf Partizipation, regelmäßigen Austausch und eine gemeinsame Zielformulierung: „Wir wollen die Qualität des Unterrichts und der schulischen Arbeit im Kontext der digitalen Bildung nachhaltig verbessern und damit die Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen in der zukünftigen Lebens- und Arbeitswelt gewährleisten.“ Zusammen gehen die Projektpartner*innen der Frage nach: Wo wollen wir in drei oder fünf Jahren beim Thema digitale Bildung stehen? „Wenn die Beteiligten hier einen gemeinsamen Plan, eine Art schulisches Zukunftsbild erarbeiten, dann ist schon einiges erreicht“, sagt Dr. Norbert Kreutzmann, Leiter des Regionalen Bildungsbüros im Kreis Gütersloh.

Im Fokus aller Bemühungen zur Veränderung des Unterrichts stehen die Schüler*innen und ihre Lernprozesse. Das Projekt soll Freiräume schaffen, um erproben zu können, was im Unterricht wirklich wirkt, und gemeinsam zu reflektieren. Dafür haben landesseitige Angebote kaum die nötigen Ressourcen, weiß Dr. Norbert Kreutzmann aus Erfahrung. „Wir werden am teamorientierten Ansatz festhalten und bei unseren Maßnahmen zur Unterrichtsentwicklung auf die Kraft der guten Beispiele vertrauen“, betont er.

Die Veränderung läuft an fast allen Schulen auf Hochtouren

Nach fünf Projektjahren ist an nahezu allen Schulen im Kreis Gütersloh ein Transformationsprozess in vollem Gange und die Basis für echten digitalen Unterricht entstanden – an Grundschulen ebenso wie an kleinen Förderschulen und an Berufskollegs mit tausenden Schüler*innen. Eine Mammutaufgabe, wie allein die lange Liste der Akteur*innen zeigt: Regionales Bildungsbüro sowie Bildungsnetzwerk im Kreis Gütersloh mit seinem höchsten Gremium, dem Lenkungskreis, regionales Kompetenzteam und Medienberater*innen der Bezirksregierung, Schulaufsichten, Schulträger, Schulleitungen und Lehrkräftekollegien. Außerdem: Projektunterstützung von zwei Stiftungen sowie Beteiligung von Eltern- und Schüler*innenvertretungen. Schule und digitale Bildung ist im Sommer 2022 in die zweite Phase gestartet und wird die Schulen bis zu weitere fünf Jahre begleiten. 

Für den Projektzeitraum wird 2017 das Zentrum für digitale Bildung und Schule (ZdB) als gemeinnützige Gesellschaft und Anlaufstelle für alle Beteiligten eingerichtet. Das Bildungsbüro Gütersloh übernimmt zusammen mit dem ZdB noch bis 2024 die Koordination, danach wird das Projekt immer stärker in die Verantwortung der Partner*innen in der Region übergeben. „In einem Projekt wie diesem braucht es auf jeden Fall eine Kümmerereinheit. Ohne eine Geschäftsstelle, die alle Fäden zusammenhält, funktioniert es nicht“, versichert Dr. Norbert Kreutzmann.

Die Power muss aus der Region kommen

Die Power von Schule und digitale Bildung sei deshalb so groß, weil es im Kreis Gütersloh gelungen sei, alle handelnden Partner*innen alle mit ins Boot zu holen: „Das ist es, was Regionalisierung im Bildungswesen ausmacht. In einer Bildungsregion müssen alle Ressourcen gebündelt, Schnittstellen gefunden und so Synergien erzeugt werden“, beschreibt Norbert Kreutzmann das Projekt. Ein Roll-out der Landesregierung könne das so nicht bewirken, räumt er ein. Die mitkümmernden Bildungspartner*innen könnten ganz unterschiedlich sein: Hochschulen oder Bibliotheken, Wirtschaftsförderungen oder ein Bildungsfonds. In Gütersloh waren es die Bertelsmann Stiftung und die Reinhard Mohn Stiftung, die das Projekt bei der Kreisverwaltung und der Bezirksregierung Detmold angestoßen hatten. Sie unterstützen das Projekt mit finanziellen und personellen Mitteln. Land und Kreis bringen ebenfalls personelle Ressourcen ein. Um wirtschaftliche Interessen gehe es dabei nicht.

Die Teilnahme am Projekt ist für die Schulen freiwillig. Voraussetzung ist, dass der Schulträger seine Bereitschaft zur Unterstützung der Schulen erklärt und die Gremien der Schule positiv darüber abstimmen. Die Schule sagt unter anderem zu, an Dialogformaten teilzunehmen und anderen Schulen ihre Erfahrungen mit der Umsetzung zur Verfügung zu stellen. Das Interesse war von Beginn an riesig: „Die Schulen haben erkannt – und die Lockdowns in der Coronazeit haben es ja eindrücklich unterstrichen –, dass die Digitalisierung unserer Gesellschaft nicht vor ihren Toren haltmacht“, berichtet Norbert Kreutzmann. Er war Teil des Projektteams, das bis 2020 über 80 Schulen besuchte und das ihnen half, eine Bestandsaufnahme zu erstellen und so ihre Bedarfe zu ermitteln.

Runde Tische und IT-Cluster sind wichtige Formate im Transformationsprozess

Im ZdB entstehen in enger Abstimmung mit dem regionalen Kompetenzteam neue Unterstützungsangebote zur Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie unterschiedliche Austauschformate. Gestartet ist das Projekt mit der Schulleitungsqualifizierung Digital Learning Leadership, die 2018 einen Großteil der Schulleitungen in der Bildungsregion erreichte. Ein weiteres Erfolgsrezept sind die kommunalen runden Tische, bei denen Schulleitungen und Schulträger, Schulaufsicht und Medienberater*innen in den Dialog treten und von Projektmitarbeitenden als neutrale Prozessbegleiter*innen unterstützt werden. Auch der IT-Cluster hat sich etabliert als regelmäßiges Treffen der IT-Verantwortlichen aus dem Kreis Gütersloh. „Die Runden tauschen sich zu Themen, Entwicklungen und Erfahrungen aus dem gesamten Handlungsfeld der Digitalität aus – sowohl aus pädagogischer als auch aus technischer Sicht“, erklärt Norbert Kreutzmann.

Alle Angebote orientieren sich an den Vorgaben des Landes NRW. So wurden beispielsweise die sechs Kompetenzbereiche des Medienkompetenzrahmens NRW berücksichtigt, um mit den ministeriellen Unterrichtsanforderungen kompatibel zu sein. Die Universität Paderborn ist für die wissenschaftliche Begleitung des Gesamtangebots zuständig. „Wir wollen sicherstellen, dass die Maßnahmen, die wir aufsetzen, in der Praxis auch hilfreich sind.“ Das Feedback sei bisher durchweg positiv: „Wir bekommen eine Menge Anfragen aus ganz Deutschland zu unserem Projekt, die wir einzeln gar nicht beantworten können“, sagt Norbert Kreutzmann. Das Angebot wächst mit jedem Projektjahr und deshalb hat das Team die Maßnahmen im Detail beschrieben und online sowie in einer gedruckten Broschüre zugänglich gemacht. „Alle sind eingeladen, die Produkte zu nutzen und für sich zu prüfen, was im eigenen Kontext passt.“

Eine Qualifizierungsmaßnahme bringt die Projektergebnisse weiter in die Kollegien

Unterrichtsentwicklung – Lernen und Lehren in der Kultur der Digitalität, kurz UEdigital, ist eine modular aufgebaute Qualifizierungsmaßnahme, an der in der ersten Runde Teams von elf Schulen teilgenommen haben. Aktuell werden weitere zehn Teams qualifiziert. In solchen Schritten soll es in den kommenden Jahren weitergehen. Ziel des Angebots ist es, Kolleg*innen dabei zu unterstützen, ihren Unterricht in gegenseitigem Austausch weiterzuentwickeln und mit digitalen Medien einen besseren Lern- und Verstehensprozess zu erproben. UEdigital orientiert sich an praktischer Erfahrung aus dem Projekt und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Wirksamkeit von Fortbildungen. Die Schulen können ihre Prozesse dokumentieren und ihr Feedback schriftlich einreichen. Damit soll das Angebot stetig entlang der Bedarfe der Schulen weiterentwickelt werden.

„Auch wenn nicht ganze Kollegien an Unterstützungsangeboten wie UEdigital teilhaben können, so ist uns doch besonders wichtig, dass es um kollektive Lernprozesse und gemeinsame Schul- und Unterrichtsentwicklung geht. Wir möchten weg von der Vorstellung ‚Ich und meine Klasse‘ hin zu dem Gedanken ‚Wir und unsere Schule‘“, unterstreicht Norbert Kreutzmann. Deshalb erprobt die eine Gruppe von Lehrkräften, wie sie mit gezielten Veränderungen im Unterricht Schüler*innen besser unterstützen kann, während sich eine zweite Gruppe um passende Rahmenbedingungen und den Wissenstransfer ins Kollegium kümmert. 

Im eigenen Tempo die digitale Lernkultur definieren

Der Umgang mit Veränderungen und besonders mit digitalen Entwicklungen sei immer eine zusätzliche Herausforderung. Alle Qualifizierungsmaßnahmen zielten genau darauf ab, die unterrichtsbezogene Zusammenarbeit zu fördern: „Nicht die einzelne Lehrkraft soll sich jetzt auch noch on top mit Digitalthemen befassen, sondern in den Schulen bilden sich professionelle Lerngemeinschaften, die den Input aus den Fortbildungstagen mit der Zeit für das gesamte Kollegium nutzbar machen“, beschreibt Norbert Kreutzmann das Konzept. Jede Schule würde dabei ihr eigenes Tempo gehen und individuelle Ziele in Bezug auf ihre digitale Lernkultur definieren. „So hoffen wir, dass sich das zusätzliche Engagement der Lehrkräfte im Endeffekt entlastend auswirkt und der Einsatz digitaler Instrumente selbstverständlich wird.“ Das Bildungsbüro versuche außerdem, die Schulen zu vernetzen, sodass sie voneinander profitieren können.

Das Land hat mit der Fortbildungsoffensive Digitalisierung, die im März 2022 mit der ersten Live-Veranstaltung gestartet ist und bis Ende Juni 2023 verlängert wurde, Verantwortung übernommen. Zudem konnte der Digitalpakt immerhin für eine bessere technische Ausstattung in vielen Schulen NRWs sorgen. Diese sei aber nach wie vor sehr heterogen und bis heute auch in der Bildungsregion eine der größten Baustellen. Da könne das Projekt nicht viel ausrichten, das Land und die Schulträger seien gefragt. In Gütersloh schauen alle Kooperationspartner*innen den nächsten Projektjahren optimistisch entgegen. Norbert Kreutzmann ist überzeugt: „Digitalisierung muss ein ganz normaler Bestandteil der Schul- und Unterrichtsentwicklung werden. Dafür setzen wir uns ein.“