lautstark. 02.10.2020

Wie lernen Kinder den richtigen Umgang mit Geld?

Soziale Arbeit

Taschengeld und Schulden

Kinder ab sechs Jahren sollten regelmäßig Taschengeld bekommen. So empfiehlt es das Deutsche Jugendinstitut. Was passieren kann, wenn das nicht der Fall ist, sieht die Erzieherin Heike Holtkamp regelmäßig in einem Duisburger Jugendzentrum. Überschuldete Jugendliche sind dort kein Einzelfall.

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  • Ausgabe: lautstark. 06/2020 | Geld – Gute Bildung ist mehr wert
  • Autor*in: Iris Müller
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

Lernen, mit Geld umzugehen, sich Wünsche erfüllen, sparen, ausrechnen, was bestimmte Dinge kosten, mit einem eigenen Budget wirtschaften und auch Fehler machen: das lernen Kinder, die regelmäßig Geld zur freien Verfügung haben. „Wir empfehlen, Kindern nach dem Schuleintritt Taschengeld anzubieten“, sagt Ursula Winklhofer vom Deutschen Jugendinstitut. Anfangen könne man mit 1 Euro oder 1,50 Euro pro Woche, so bleibt es für die jüngere Altersgruppe übersichtlich. Ab etwa zehn Jahren könne man monatliche Raten vereinbaren. Wichtig sei, dass das Geld verlässlich ausgezahlt wird.

Ursula Winklhofer erläutert, dass Taschengeld nicht an Vorgaben gebunden oder gar als pädagogisches Druckmittel genutzt werden sollte, denn dann fehle die Grundlage und es sei für das Kind nicht mehr planbar. Zudem sollte eine gewisse Mithilfe, beispielsweise im Haushalt, ganz normal sein und zur guten Sozialisation gehören und deshalb auch nicht mit Geld belohnt werden. Auch Eltern, die finanziell nicht so gut aufgestellt sind, sollten versuchen, ihrem Kind Taschengeld zu geben, wenn auch nur einen kleinen Betrag. So leben sie ihrem Kind nicht nur vor, wie man die Herausforderung meistert, mit kleinem Budget zu wirtschaften,
sondern der Nachwuchs kann es auch gleich selbst versuchen.

Taschengeld selbstbestimmt ausgeben

Und wie lernen Kinder nun, mit Geld umzugehen? „In erster Linie dadurch, dass sie mit einem verlässlichen Betrag an Taschengeld eigene Erfahrungen machen können“, so die Expertin. Grundsätzlich empfehlen Ursula Winklhofer und das Deutsche Jugendinstitut, dass Taschengeld zur persönlichen Verwendung ist und keiner elterlichen Kontrolle bedarf. Eltern sollten jedoch immer gesprächsbereit sein, gerade auch, wenn sich im Umgang mit dem Taschengeld Schwierigkeiten ergeben.

Ursula Winklhofer: „Wenn das Geld nach der Hälfte des Monats schon komplett weg ist, sollten Eltern nicht einfach etwas nachschießen, sondern mit dem Kind reden und gemeinsam nachvollziehen, wofür das Geld ausgegeben wurde. Wenn es um die Erfüllung größerer Wünsche geht, können Eltern die Kinder bei der Planung unterstützen, wie ein Teil des Taschengeldes auch gespart werden kann, zum Beispiel für einen Legobaukasten für 25 Euro.“ Mit Jugendlichen können die Eltern klären, ob vom Taschengeld auch Kleidung oder Schulmaterialien gekauft werden sollen. Das Deutsche Jugendinstitut empfiehlt, für solche Anschaffungen ein eigenes Budgetgeld zur Verfügung zu stellen.

Mit dem Alter steigen Bedürfnisse und Kosten 

Aus Erhebungen der Konsumforschung wird deutlich, dass Kinder häufig Taschengeld für Süßigkeiten, Snacks, Zeitschriften oder spezielle Getränke ausgeben. Ab dem elften Lebensjahr empfiehlt das Deutsche Jugendinstitut rund 20 Euro Taschengeld im Monat. Dann kaufen Kinder auch gerne Fast Food und Sammelkarten. Irgendwann geht es auch um Markenkleidung und Smartphones. Bei letzteren kann es schwierig werden und Jugendliche können in eine Falle geraten. So zum Beispiel Jan Richter*. Seine Eltern trennten sich, als er noch jung  war, Taschengeld hat er nie bekommen. Irgendwann hat er die Schule abgebrochen – ohne Abschluss. Ein Smartphone wollte er dennoch: „Ich bin der Typ, der immer direkt das neueste Handy haben will“, sagt der heute 24-Jährige.

Das bekam er zusammen mit einem Vertrag, aber die monatliche Rate erdrückte ihn förmlich, er konnte irgendwann nicht mehr zahlen. Der Vertrag wurde gekündigt, doch bis dahin hatte Jan Richter bereits 1.500 Euro Schulden bei dem Anbieter. Ohne Schulabschluss ist es schwierig, an Geld zu kommen, doch Jan Richter raffte sich auf und trat eine Stelle als Bundesfreiwilligendienstler (Bufdi) an. Rückblickend sagt er: „Hätte ich früher Taschengeld bekommen, hätte ich vielleicht gelernt, wie man damit umgeht.“ Ende der Geschichte: Jan Richter hat sich mit den Anbieter geeinigt und zahlt seine Schulden jetzt in monatlichen 40-Euro-Raten zurück. Das wird mehr als drei Jahre dauern. 

Solche Schicksale sieht Heike Holtkamp im Duisburger Jugendzentrum Juzo seit über 30 Jahren. Die Erzieherin kennt einige Familien mittlerweile seit mehreren Generationen – das schafft Vertrauen. „Eltern kommen oft und fragen, wie viel Taschengeld sie geben sollen“, erzählt Heike Holtkamp. Sie gibt Ratschläge, schaut, was das Deutsche Jugendinstitut empfiehlt und was die Eltern leisten können. Und sie erklärt immer wieder, dass Eltern einerseits aushalten müssen, dass die Kinder selbst entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben, und dass die Kinder andererseits lernen müssen, dass es keinen vorzeitigen Nachschub gibt, wenn es ausgegeben ist. Das können viele Eltern der Juzo-Jugendlichen so oder so nicht leisten, da sie von Hartz IV leben – und das teilweise in der dritten Generation.

Erzieherin unterstützt auf drei Ebenen

Heike Holtkamp versucht auf drei Ebenen zu verhindern, dass die Kinder und Jugendlichen sich verschulden. Erstens: Erlebnisse. „Wir müssen den Horizont zeigen und Bedürfnisse wecken.“ So bietet das Juzo-Team beispielsweise regelmäßig Reisen nach Kroatien oder Italien an. „Wenn die Kinder sehen, was möglich ist, ist das auch ein Ansporn, Geld zu verdienen und zu sparen.“ Zweitens probiert Heike Holtkamp Trends selbst aus. Dazu gehören nicht nur die sozialen Medien, sondern auch Spiele-Apps, bei denen Geld bezahlt werden muss, um seine Charaktere auszustatten oder ins nächste Level zu kommen.

So sei sie mit den Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe und könne besser mit ihnen über die Gefahren, die in diesem Bereich lauern, sprechen. Auf der dritten Ebene führt Heike Holtkamp viele Gespräche mit Kindern, Jugendlichen, aber auch mit Multiplikatoren wie der Schuldnerberatung und dem Jugendamt. Heike Holtkamp weiß aber auch: „Der ein oder andere ist eine faule Socke, der wird nie arbeiten gehen. Aber bei vielen ziehe ich auch meinen Hut vor dem, was die schon geleistet haben.

Die kriegen die Kurve.“ Was sie sich wünscht, ist ein Unterrichtsfach in der Schule, in dem die Kinder lernen, was Taschengeld ist, wie man Verträge abschließt, was eine Bank ist und was man dort machen kann. Diese Ansicht teilt auch Ursula Winklhofer. In Schule und Jugendarbeit müsse es ihrer Meinung nach mehr Projekte geben, bei denen wirtschaftliche Aspekte bedacht werden. Spätestens, wenn es um bargeldlosen Zahlungsverkehr geht, wird es komplex. „Das kann nicht nur Aufgabe der Eltern sein, das aufzufangen“, findet Ursula Winklhofer.

*Name von der Redaktion geändert

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