lautstark. 02.10.2020

Erwachsenenbildung: Was die Corona-Krise für Honorarlehrkräfte bedeutet

BelastungChancengleichheitCoronaHonorarkräfte

Flickenteppich statt Rettungsschirm

Die Corona-Krise zeigt Folgen, die den Lehrkräften in der Erwachsenenbildung vielleicht noch mehr zusetzen werden als die finanziellen Einbußen der vergangenen sechs Monate. Der Blick zurück offenbart: Obwohl freie Honorarlehrkräfte teils seit Jahren oder Jahrzehnten im öffentlichen Auftrag mit Daueraufgaben unterrichten, bleibt ihnen eine angemessene Beschäftigung und Absicherung verwehrt. Zwei von ihnen berichten über die aktuelle Situation.

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  • Ausgabe: lautstark. 06/2020 | Geld – Gute Bildung ist mehr wert
  • Autor*in: Klaus Mautsch
  • Funktion: Dozent DaZ/DaF VHS Köln und Autor für DaF-Lehrwerke
  • Autor*in: Doris Knüpp
  • Funktion: Dozentin für Englisch und DaF, Bergische Volkshochschule Wuppertal
Min.

Gleich zu Beginn der Krise spannten Bund und Länder Rettungsschirme auf, die überwiegend dazu dienten, betriebliche Strukturen in der Weiterbildung zu sichern. Streng nach der Logik, dass Honorarlehrer*innen ihr Daseinsrisiko selbst schultern, blieben die Absicherungen für sie löchrig und wenig verlässlich. Nur wenige Kommunen zeigten sich entschlossen, für ihre Lehrkräfte etwa mit einer Art Kurzarbeitergeld in die Bresche zu springen. Wo dies nicht geschah, waren die Verluste für die Betroffenen groß. Und wer nicht ins Hartz-IV-
System abrutschen wollte, dem blieb nur, Rücklagen für das Alter anzugreifen oder im privaten Umfeld Geld zu leihen – eine Existenzsicherung, die Gesicht und Würde wahrt, sieht anders aus.

Corona-Soforthilfen – heute so, morgen so

Bereits im März hatte Finanzminister Olaf Scholz erklärt, dass für Freiberufler ein erleichterter Zugang zum ALG 2 infrage komme. Infolgedessen gestalteten viele Länder ihre Corona-Soforthilfen derart, dass diese nur für Betriebskosten gewährt wurde. Das Land NRW versprach den Solo-Selbstständigen zunächst Zuschüsse, schwenkte später jedoch wieder auf die Linie des Bundes um. Nach Protesten seitens der Gewerkschaften rang man sich in Düsseldorf dazu durch, dem betroffenen Personenkreis pauschal 2.000 Euro für die Lebenshaltung zuzugestehen. Für einige freiberufliche Lehrkräfte kam dies zu spät, sie hatten das Geld aus Angst, sich des Subventionsbetrug schuldig zu machen, bereits zurückgezahlt. Auch innerhalb der GEW war man angesichts des Hin- und Her unschlüssig: Was sollte man den Honorarlehrer*innen empfehlen, die notgedrungen Teile der Soforthilfe für ihren Lebenshalt ausgegeben hatten? Würden sie sich strafbar machen?

Ohne Initiative des Trägers keine Zuschüsse

Von den Honorarausfällen betroffene Integrationslehrkräfte konnten Hoffnung aus dem „Sozialdienstleistereinsatzgesetz“ (SodeG) schöpfen. Dem Gesetz zufolge sind auch Träger von Sprachkursen berechtigt, Bundesmittel zur existenziellen Absicherung ihrer Strukturen und der Honorarlehrkräfte zu beantragen. In Köln entschloss sich das zuständige Dezernat erst auf Drängen der GEW-Fachgruppe zur Beantragung der Mittel für die Volkshochschule (VHS), und das gegen die Empfehlung der eigenen Juristen. Von den SodeG-Mitteln konnten jedoch längst nicht alle Kursleiter*innen im Land profitieren. Hatte der Träger keine Zuschüsse beantragt,
gingen sie leer aus. Wie viele von den circa 168.000 hauptberuflichen Lehrkräften in Deutschland davon
betroffen sind, lässt sich derzeit noch nicht genau sagen.

Fazit: Schluss mit prekärer Beschäftigung und fehlender Absicherung

Sicher ist dagegen, dass es mit der Politik der fortgesetzten Schaffung von prekären Arbeitsmodellen dort, wo es um dauerhafte Aufgaben wie die sprachliche Integration von Zugewanderten geht, nicht weitergehen kann. Daneben darf die Situation der nebenberuflichen Honorarlehrer*innen nicht vergessen werden. Wer in den vielen gesellschaftlich relevanten Bereichen der Erwachsenenbildung arbeitet, darf nicht weiter als „Feierabendlehrer*in“ betrachtet und mit Niedrighonoraren abgespeist werden. Hier müssen insbesondere die Volkshochschulen als größte kommunale Einrichtung der Erwachsenenbildung Beiträge zur sozialen Absicherung ihrer Honorarlehrkräfte leisten, sei es durch neu zu schaffende Tarifverträge oder in Form von Rahmenvereinbarungen mit den organisierten Lehrkräften. Wer freiberuflich in der Bildung tätig ist, benötigt in Zeiten der Pandemie dringend eine Absicherung von Honorarausfällen sowie grundsätzlich anteilige Zuschüsse zur Renten- und Krankenversicherung nebst einer Lohnfortzahlung im Falle einer Krankheit. Es muss nicht gleich SARS-CoV 2 sein.

„Als Honorarlehrkraft an der VHS habe ich während der Corona-Pandemie die NRW-Soforthilfe in Anspruch
genommen. Das war aber mit sehr viel Unsicherheit verbunden, da anfangs nicht klar war, ob uns Honorarlehrkräften überhaupt Geld zustehen würde. Also habe ich auf meine Ersparnisse zurückgegriffen, bis dann von offizieller Stelle eine eindeutige Aussage getroffen wurde. Meine finanziellen Polster waren und sind aber in erster Linie dazu gedacht, die Einkommensteuerbeträge und die Sozialversicherungen zu bezahlen.

Ich habe mich mit meinem Beruf in unserem politischen System zeitweise nicht existent gefühlt. Meiner
Meinung nach müssten wir als Honorarlehrkräfte als eigenständige Gruppe politisch vorhanden sein. Wir
gehören aber zu der Gruppe der Selbstständigen und fallen dabei häufig unter den Tisch. Das politische
System (siehe Bundesamt), das uns eine gesellschaftswichtige Bedeutung zuschreibt, sollte uns in Krisenzeiten mit einem finanziellen Hilfsprogramm unterstützen. Und mit den Sozialversicherungen muss dies genau
besprochen werden, das heißt, es muss klare Aussagen im Hinblick auf die zu zahlenden Beträge geben.“