Ein Leben ohne Münzen und Scheine?
Die Zukunft des Bargelds
Deutschland gilt als Land des Bargelds. Doch trotz der Devise „Nur Bares ist Wahres“ ist der Barzahlungsanteil wie in vielen anderen Ländern auch bei uns rückläufig. Die wiederkehrende Frage lautet deshalb: Brauchen wir eigentlich noch Banknoten und Münzen?

Die Deutschen halten am Bargeld fest: Zwar werden landesweit immer noch drei Viertel aller Transaktionen an der Ladenkasse mit Banknoten und Münzen get.tigt, jedoch steigt die Verwendung unbarer Zahlungsmittel in Form von Debitkarten wie der Girocard (der früheren EC-Karte), Kreditkarten, Internetzahlverfahren wie PayPal sowie von mobilen Zahlverfahren stetig an. Insbesondere das bargeldlose Begleichen auch kleinerer Betr.ge durch einfaches Davorhalten eines mobilen Endger.ts wie dem Smartphone an das Terminal der Ladenkasse ist gegenüber der Suche nach Kleingeld im Geldbeutel deutlich bequemer. Das wird sicher zu einer weiter steigenden Akzeptanz des bargeldlosen Zahlungsverkehrs führen. Dieser Prozess beschleunigt sich gegenwärtig durch die Ausbreitung des Coronavirus, denn in vielen Geschäften wird aus Hygienegründen um bargeldlose Zahlung gebeten – obwohl das Bundesinstitut für Risikobewertung die Gefahr von Schmierinfektionen über Bargeld als gering erachtet.
Von Vorteil in Sachen Datenschutz
Gegenüber unbaren Zahlungsformen hat die Verwendung von Bargeld jedoch eine Reihe von Vorzügen: So garantiert es als einziges Zahlungsmittel die Anonymität des Zahlungsvorgangs. Dies stellt gerade für die auf Datenschutzaspekte sensibilisierte deutsche Bev.lkerung einen wichtigen Vorteil gegenüber bargeldlosen Zahlmethoden dar, die stets eine nachverfolgbare digitale Spur hinterlassen. Bargeld zu nutzen, ist in Zeiten zunehmender Datenschutzprobleme somit auch Ausdruck von pers.nlicher Freiheit. Obendrein gebietet es der Entwicklung hin zum gläsernen Menschen zumindest in diesem Aspekt einen gewissen Einhalt. Münzen und Scheine zu verwenden, erfordert zudem keinerlei technische Infrastruktur. Daneben können sie auch in Krisensituationen – wie bei einem Blackout oder beim Ausfall des Internets – problemlos als Zahlungsmittel eingesetzt werden. Darüber hinaus ist es Bevölkerungskreisen wie Kindern oder Personen ohne Girokonto, die keinen Zugang zu bargeldlosen Zahlungsmitteln haben, möglich, durch die Verwendung von Bargeld am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Schließlich erlaubt die Nutzung von Bargeld mit dem Blick ins eigene Portemonnaie eine Kontrolle der Ausgaben und hilft somit bei der pers.nlichen Finanzplanung.
Bargeld als Mittel der Wahl
In der Tat nimmt der Banknotenumlauf im Euroraum trotz der Konkurrenz durch unbare Zahlungsformen stetig zu. Dies deutet auf eine ungebrochene Nachfrage nach Bargeld nicht nur als Zahlungsmittel, sondern vor allem als Verm.gensanlage hin. Diese Wertaufbewahrungsfunktion hat durch die sehr geringen und teilweise negativen Zinsen im Euroraum in den letzten Jahren besonders an Attraktivität gewonnen. Obwohl die Bargeldaufbewahrung mit gewissen Verlustrisiken – zum Beispiel dem Diebstahl der Briefbörse, Einbruchsrisiken, wenn Bargeld daheim aufbewahrt wird, und auch Sicherungskosten, wie durch die Anmietung von Bankschließfächern, verbunden ist – kann der Bankensektor das Zinsniveau nicht grenzenlos in den negativen Bereich absenken. Dies würde zwangsläufig Ausweichreaktionen bei den Kunden in die Bargeldhaltung ausl.sen. In einer Welt ohne Bargeld wären stark negative Zinsniveaus daher einfacher durchzusetzen.
Ob die schrittweise Abschaffung des 500-Euro-Scheins oder die in einigen Euroländern verhängten Barzahlungsobergrenzen einen ersten Schritt in Richtung einer vollständigen Abschaffung des Bargelds darstellen und somit der Möglichkeit von weiteren Zinssenkungen in den negativen Bereich oder nur dem erklärten Ziel der Kriminalitätsbekämpfung dienen, sei dahingestellt. Jedenfalls erscheinen die bestehenden Regelungen zur Kundenidentifizierung bei Bargeschäften völlig ausreichend und bedürfen keiner zusätzlichen Einschränkung von staatlicher Seite.
Wünsche der Zahler weisen den Weg
Ob das Bargeld irgendwann komplett aus unserem Alltag verschwindet, sollte vielmehr den Wünschen der Geldbenutzer selbst überlassen werden. Die Tatsache, dass es als Zahlungsmittel besonders krisensicher ist und sich als Wertaufbewahrungsmittel weiterhin großer Beliebtheit erfreut, lässt erwarten, dass Bargeld auch zukünftig eine Rolle im Geldwesen moderner Volkswirtschaften spielen wird.
Prof. Dr. Bernd Kempa
Institut für Internationale Ökonomie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Foto: unsplash.com / Markus Spiske

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