lautstark. 23.08.2021

Rechtsextremismus: Die dunkle Seite sozialer Netzwerke

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Rechte Inhalte auf Instagram

Traumhafte Reisefotos, appetitlich inszeniertes Essen – die Welt auf Instagram ist schön. Journalist Arne Steinberg erklärt, wie auch andere Inhalte ihren Weg in die gefilterte Wirklichkeit finden. Rechtsextreme nutzen die Plattform, um ihre menschenverachtenden Inhalte zu verbreiten.

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  • Ausgabe: lautstark. 05/2021 | Demokratie lebt durch dich
  • Autor*in: Arne Steinberg
  • Funktion: ausgebildeter Gymnasiallehrer und Journalist bei der ARD-Dopingredaktion
Min.

Instagram – eine der wichtigsten Plattformen der Welt. Jeden Tag nutzen Millionen Menschen weltweit die App aus dem Hause Facebook. Für den Großteil ist die Welt auf Instagram bunt, harmlos und unpolitisch: Speziell junge Menschen posten Fotos von stimmungsvollen Szenen in der Natur, teilen Impressionen von früheren Reisen oder laden gut inszenierte Schnappschüsse von liebevoll angerichtetem Essen hoch.

Nutzer*innen der Plattform drücken mit ihren Likes Zustimmung aus und folgen denjenigen Accounts, für deren Inhalte sie sich interessieren. Mit anderen bekannten oder gleichgesinnten Menschen können sie auf Instagram kommunizieren. Unterhaltung, Kommunikation, Information: Instagram befriedigt all diese Bedürfnisse. Und die Welt dort, so will es der Facebook-Konzern, ist schön.

Rechtsextreme nutzen den Algorithmus für sich

Ist eine Plattform für viele Menschen attraktiv, wird sie interessant für diejenigen, die daraus ihren Profit ziehen wollen. Die Vergangenheit lehrt, dass speziell rechte und rechtsextreme Gruppen häufig dazu in der Lage sind, frühzeitig das Potenzial einer Plattform zu erkennen und für die eigenen Zwecke zu nutzen – als aktuelles Beispiel gilt dafür der Messengerdienst Telegram.

Deswegen gibt es auch eine dunkle Seite auf Instagram. Eine Welt, in der es heißt, dass es großartig sei, eine weiße Hautfarbe zu haben, und dass weiße Menschen sich nicht mit anderen vermischen sollten. Instagram bietet deswegen auch den Nährboden für diejenigen, die glauben, Deutschland und Europa würden von ausländischen Invasoren überrannt. Geschichtsrevision und Verherrlichung der NS-Zeit sind dort ebenfalls gängig.

Die führenden Köpfe der rechten und rechtsextremen Bewegungen im deutschsprachigen Raum kennen und verstehen die Dynamik der Plattform sehr gut. Durch geschickte Tarnung sind sie in der Lage, offenkundige Schwachstellen des Instagram- Algorithmus für ihre eigenen Zwecke auszunutzen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, um radikale Inhalte zu streuen und Jugendliche an sich zu binden. Das sind die zentralen Ergebnisse der „#KeinFilterFürRechts“-Recherche des gemeinnützigen Recherchezentrums „CORRECTIV“ aus dem vergangenen Jahr.

Das Instagram-Netzwerk, das die Journalist*innen unter die Lupe nahm, umfasste mehr als 4.500 Accounts – darunter Führungskräfte und Verbände der AfD, Vorfeldorganisationen wie die Junge Alternative (JA) und ehemalige Mitglieder der sogenannten Identitären Bewegung (IB), die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde.

Modern, hip und unschuldig

Gerade junge Rechtsextreme wollen offenbar mittels Instagram Rassismus und völkisches Denken modern und hip machen. Zusammen mit einflussreichen rechten Medienmacher*innen setzen sie die Themen, die von der AfD später in den politischen Diskurs eingebracht werden: Liebe zum Vaterland, Ablehnung der Rundfunkgebühren und der sogenannten Mainstream-Medien sowie Kritik an der Bundesregierung und teils komplette Leugnung der Corona-Pandemie. Über Instagram versuchen sie, bestimmte rechtspopulistische und rechtsextreme Inhalte anschlussfähig zu machen und damit den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts zu verschieben. Ihr offenkundiges Ziel: die radikale Durchsetzung von „White Supremacy“ und die Errichtung eines autoritären oder totalitären Staats, in dem Minderheiten keine Rechte mehr eingeräumt werden.

Dafür machen sie sich die Wirkweise der Plattform Instagram zunutze. Ein Post begleitete das Rechercheteam dabei über Monate: Es zeigt ein schlafendes blondes Baby in einer Wiege, umgeben von einer Decke, einem kleinem Plüschwolf und einem hölzernen Spielzeugschwert. Das warme Licht trägt zur Inszenierung bei. Das Baby soll die pure Unschuld verkörpern.

Es sei ein Kämpfer, wie ein Nutzer unter das Bild schreibt. In einigen Jahren werde es bereit für die „Frühlingsangriffe“ sein. Erst dann fällt auf: Unter dem Kopf des Babys ist ein hölzernes Dekorationsstück platziert, es stellt eine Schwarze Sonne (Sonnenrad) dar – eines der bekanntesten rechtsextremen Erkennungssymbole der Neuzeit, das aus mehreren übereinanderliegenden Hakenkreuzen besteht. Ein Kleinkind neben einem Neonazi-Motiv: Das ist sie, die dunkle Seite von Instagram.

Die Ideologie kommt durch die Hintertür

Die Vermittlung von rechten bis rechtsextremen Inhalten geschieht auf Instagram meist auf subtile Art und Weise. Ähnliches gilt auch für die zahlreichen Accounts von jungen Frauen, die in dem Netzwerk an verschiedenen Stellen auftauchen und denen viele Aktivisten folgen. „Es ist den Rechten schon lange bewusst, dass Frauen friedliebender wirken“, erklärt Karin Degen, die an der Universität Bamberg zu Gender und Sexualität in Social-Media-Diskursen der extremen Rechten promoviert. Frauen würden immer dort gezielt „vorgeschickt“, wo es gelte, die „Ideologie durch die Hintertür“ einzuführen. Sie alle vermitteln traditionelle Rollenbilder, die eine bestimmte Weltsicht transportieren: Alles, was nicht deutsch, weiß oder christlich ist, stellt eine Gefahr dar.

Eine Aussteigerin erklärt dem Rechercheteam, dass ein Feindbild „den Leuten immer tröpfelnd“ eingeflößt werde. Sie betont auch die Bedeutung von Instagram für die Szene, weil die Plattform dabei helfe, das Netzwerk stabil zu halten und zu füttern. Andere Meinungen kämen dort nicht hinein, alle bekämen immer mehr vom selben zu sehen. Genau so funktioniert der Algorithmus sozialer Netzwerke und spielt den Rechten damit in die Karten.

Über verschiedenste Themen sollen Jugendliche auf die eigenen Inhalte aufmerksam gemacht werden, denen die rechtsextreme Stoßrichtung nicht immer auf den ersten Blick anzusehen ist. Die Subkulturen Kampfsport und Musik, für die sich besonders junge Männer interessieren, sind dafür passende Beispiele. Über den allgemeinen Trend der Gesundheitsverbesserung, die sich durch Fitnessstudiobesuche und gestählte Muskulatur auszeichnet, möchte die rechte Szene junge Männer zur Wehrhaftigkeit animieren und sie durch die Vermittlung von Kampfsporttechniken für den Straßenkampf fit machen.

Von der App ins reale Leben

Offenbar hilft Instagram auch dabei, den eigenen Nachwuchs zu rekrutieren: Ein Landesverband der JA gewann die Hälfte seiner Neumitglieder im vergangenen Jahr über Instagram. Das gilt in ähnlicher Form auch für die IB. Besonders innerhalb der Story- Funktion wird versucht, junge Menschen zu Treffen im realen Leben zu bewegen. Dort werde dann die „Ideologie überprüft“, berichtet die Aussteigerin, die selbst früher als Influencerin der IB aktiv war.

Zynische Sprüche über eine angebliche Islamisierung, Screenshots von Artikeln aus der rechten Medienszene und Einladungen zu Veranstaltungen rechtsextremer Bewegungen: Es ist eine Art von rechter Dauerbeschallung innerhalb dieses rechten Netzwerks auf Instagram, die bei den Nutzer*innen in erster Linie Ängste und Wut, also negative Emotionen, wecken soll – damit sie selbst aktiv werden.