lautstark. 22.06.2021

Maike Finnern ist neue Bundesvorsitzende der GEW

BildungsgewerkschaftBildungsfinanzierungChancengleichheit

Abschied von der GEW NRW

Seit 2019 war sie die Vorsitzende der GEW NRW. Jetzt nimmt Maike Finnern Abschied von ihrem Landesverband, denn neue Aufgaben warten auf sie: Am 10. Juni 2021 wurde sie zur neuen Bundesvorsitzenden der Bildungsgewerkschaft gewählt. Ein Interview über große Herausforderungen, kleine Erfolge und neue Ziele.

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  • Ausgabe: lautstark. 04/2021 | Stress und Achtsamkeit: Jetzt mal langsam!
  • im Interview: Maike Finnern
  • Funktion: Bundesvorsitzende der GEW
  • Interview von: Anja Heifel-Rohden
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

Mitte Juni bist du zur neuen Bundesvorsitzenden der GEW gewählt worden – herzlichen Glückwunsch! Was hast du dir für deine neue Aufgabe vorgenommen?

Maike Finnern: Vielen Dank! Meine Ziele für die GEW sind eindeutig: mehr Chancengleichheit und bessere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten im Bildungssystem! Dafür muss es gelingen, die Ressourcen für Bildung im Haushalt deutlich zu erhöhen, damit Bildungseinrichtungen besser finanziert und unterstützt werden. Die Notwendigkeit ist allen durch die Pandemie überdeutlich geworden. 

Mit Blick auf die Bundestagswahl im September muss jetzt einiges ganz schön schnell gehen: Ich werde versuchen, so schnell wie möglich nach innen und außen präsent zu sein und Kontakte zu bekommen, denn ohne die geht es nicht. Inhaltlich hat meine Amtsvorgängerin Marlis Tepe mit dem bisherigen geschäftsführenden Vorstand die Positionierung der GEW im Bundestagswahlkampf gut vorbereitet. Daran gilt es anzuknüpfen und unsere Forderungen im Bundestagswahlkampf zu platzieren. Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen, gute Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten im Bildungsbereich und die entsprechende Finanzierung – das sind unsere Anforderungen an die neue Bundesregierung.

Wenn du auf deine Zeit als Vorsitzende in NRW zurückblickst: An welche Erfolge mit der GEW NRW erinnerst du dich am liebsten?

Maike Finnern: Meine Zeit als Vorsitzende der GEW NRW war kürzer als geplant und mehr als die Hälfte der Zeit stand im Zeichen der Corona-Pandemie. Das war natürlich eine besondere und herausfordernde Situation. Sie hat es mir vor allen Dingen verwehrt, alles zu ermöglichen, was ich mir ursprünglich vorgenommen hatte. Und so sind es eher die kleinen Erfolge, auf die ich stolz bin. Im Rahmen der Organisationsentwicklung sind wichtige Prozesse angestoßen worden, in der Geschäftsstelle und in der GEW NRW insgesamt. In den Workshops, die wir mit Haupt- und Ehrenamtlichen veranstaltet haben, habe ich echte Aufbruchstimmung erlebt. 

Mit beharrlichem Engagement haben wir der Landesregierung immer wieder Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz abgetrotzt, auch wenn wir noch nicht zufrieden sind.

Es ist mir gelungen, die Arbeit in Bündnissen unter anderem mit Elternverbänden deutlich auszubauen und gerade in der Pandemie haben wir häufig mit einer Stimme gesprochen.

Ein Erfolg, auf den ich besonders stolz bin: Wir haben die Ausstellung zum Thema Berufsverbote in den Landtag Nordrhein-Westfalens gebracht! Sie wird am 23. November 2021 eröffnet. Wir kämpfen weiter dafür, dass das Parlament beschließt, dass der sogenannte Radikalenerlass und seine Folgen aufgearbeitet werden und Betroffene neben einer Entschuldigung auch eine Entschädigung erhalten.

Ein großer Teil deiner Amtszeit in NRW wurde von der Corona-Pandemie beherrscht. Wie hat dich diese Zeit als Vorsitzende gefordert? Was hast du in dieser Situation über dich selbst, aber auch über die GEW gelernt?

Maike Finnern: Die Pandemie hat bis heute großen Einfluss auf unsere und meine tägliche Arbeit. Wir setzen als Gewerkschaft auf Solidarität. Diese lebt von persönlichen Beziehungen und unmittelbarem Austausch. Das war und ist uns in der Pandemie so nicht möglich. Weite Teile unserer Arbeit und unseres Engagements mussten wir in den virtuellen Raum verlegen. Dabei fordert es uns alle, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um Treffen virtuell durchzuführen, Tagungen angemessen und gewinnbringend zu gestalten.

Die große inhaltliche Herausforderung für die GEW ist es, in diesen stürmischen Zeiten den Kurs zu bestimmen und zu halten. In unserer Mitgliedschaft ist die Polarisierung ähnlich groß wie in der Gesellschaft: Auf der einen Seite gibt es Forderungen, endlich die Schulen für alle sofort wieder zu öffnen. Auf der anderen Seite gibt es Forderungen, die Schulen so lange zu schließen, bis alle durchgeimpft sind. Wir haben unseren Schwerpunkt immer auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz gelegt – darauf kommt es in der Pandemie an.

Das gestiegene öffentliche Interesse an Bildung, besonders an frühkindlicher und schulischer Bildung, hat zu einer stark gestiegenen Medienanfrage geführt. In vielen Wochen waren mehrere Fernsehinterviews, mehrere Pressemitteilungen und Anfragen des Hörfunks Normalität. Zum Teil kamen täglich Fernsehteams zu mir nach Hause oder haben per Videoschalte Interviews mit mir geführt. Dabei ist besonders der Zeitdruck, mit dem Medien arbeiten, enorm: Die meisten Anfragen kommen erst im Laufe des Vormittags und müssen wie selbstverständlich am selben Tag bedient werden. Das hat mich sehr gefordert und ich habe viel dazugelernt. Und in NRW kennen nun viele mein Arbeitszimmer unter dem Dach und die Magnolie in unserem Garten.

Seit 2019 warst du Landesvorsitzende der GEW NRW, davor fast acht Jahre lang stellvertretende Vorsitzende. Wie fühlt es sich für dich an, deinen Landesverband zu verlassen? Was nimmst du mit?

Maike Finnern: Zehn Jahre im Vorstand der GEW NRW sind eine lange Zeit, die mich sehr geprägt hat. Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge, da in dieser Zeit neben der erfüllenden Arbeit für die GEW NRW viele Freundschaften entstanden sind. Viele Begegnungen prägen diese zehn Jahre, viele Erinnerungen an gemeinsame Aktionen, Demos und Tarifauseinandersetzungen. Bei einer Großdemo in Düsseldorf durfte ich als bekennende Nichtjeckin aus Ostwestfalen-Lippe in einem Karnevalswagen mitfahren. Ich gebe gerne zu: Das hat Spaß gemacht! Neben der Wehmut ist allerdings auch ganz viel Vorfreude auf die neue Aufgabe in der GEW dabei. Meine Erfahrungen nehme ich mit und das Wissen, der GEW NRW immer verbunden zu bleiben.

Maike Finnern gehörte insgesamt zehn Jahre zum Vorsitz der GEW NRW. Seit 2019 war die Realschullehrerin und Personalrätin aus Ostwestfalen- Lippe Landesvorsitzende.

Die Fragen stellte Anja Heifel-Rohden.

Foto: Alena Matveyenka

 

Corona-Pandemie

Das hat die GEW in der Pandemie erreicht

Die Bildungsgewerkschaft streitet und kämpft auch während der Corona-Pandemie für die Kolleg*innen in den Bildungseinrichtungen. Das hat die GEW NRW für gute und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen durchgesetzt:

  • Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst fand 2020 unter außergewöhnlich schwierigen Bedingungen statt. Das Ergebnis ist besonders dank des Engagements der Gliederungen ein Erfolg: Die Gehaltssteigerungen, die Corona-Prämie und die Erhöhung der Jahressonderzahlung haben die Einkommen der Beschäftigten in der Corona-Krise stabilisiert.
  • Die Einführung der neuen Lehrpläne in den Grundschulen wurde um ein Jahr verschoben. Das ist der Erfolg unserer gemeinsamen Petition mit dem vbe und dem Grundschulverband, ein Erfolg von vielen Tausend Unterschriften.
  • Während der Pandemie haben wir durch hartnäckige Gespräche im Schulministerium und mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann regelmäßige Testangebote für Kolleg*innen erreicht. Die GEW NRW war die erste, die das schon vor den Sommerferien 2020 immer wieder eingefordert hat. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Schulen reicht noch lange nicht, aber die Verbesserung der Situation ist im Wesentlichen unser Verdienst.
  • Unsere Forderung nach einem Dienstgerät für jede Lehrkraft wurde – durch die Pandemie beschleunigt – endlich umgesetzt.