lautstark. 17.06.2020

„Wir brauchen endlich Planungssicherheit!“

CoronaArbeits- und Gesundheitsschutz

Kommentar zur Krisenbewältigung

Eine Krise erfordert entschlossenes, nachvollziehbares Handeln. Starke Eingriffe der Politik in unser Leben müssen erklärt werden und brauchen die Akzeptanz der Bevölkerung, um sie umzusetzen. In der Corona-Krise haben wir in NRW zu häufig das Gegenteil erlebt.

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  • Ausgabe: lautstark. 04/2020 | Gemeinsam durch die Krise
  • Autor*in: Maike Finnern
  • Funktion: Vorsitzende der GEW NRW
Min.

Wie durch eine Lupe sind die Schwächen der NRW-Regierung in der Corona-Krise sehr deutlich sichtbar geworden. Vor allem bei der Kommunikation, die weder als wertschätzend noch als vertrauensbildend wahrgenommen wird, hapert es ganz gewaltig. Wichtige Regelungen für alle Beteiligten werden spätabends und am Wochenende per Mail mitgeteilt. Ministerpräsident Armin Laschet relativiert eine gerade veröffentlichte Information der Schulministerin. Der Erlass zum veränderten Einsatz der Risikogruppen kommt erst in den Schulen an, als der alte schon längst ausgelaufen ist. Informationen gehen zuerst durch die Presse. Die Volkshochschulen erfahren wenige Tage vor der Wiedereröffnung von dieser, obwohl eine Semesterplanung viele Wochen Vorlauf erfordert. Für den eingeschränkten Regelbetrieb in den Kitas hatten die Einrichtungen zwar genügend Vorlauf, doch wer hilft den Erzieher*innen und Leitungen vor Ort, wenn es zum Beispiel Konflikte mit Eltern gibt, weil sich die Betreuungszeiten in der Regel um zehn Stunden reduziert haben? Akzeptanz für getroffene Entscheidungen und angeordnete Maßnahmen erreicht man so nicht.

Land regiert in der Krise an der Realität vorbei

Der zeitliche Rahmen ist für die Bildungseinrichtungen eine Katastrophe, aber auch Inhalte bleiben zu oft vage oder sind unvollständig, werden in Teilen gar in einer Kehrtwende plötzlich negiert. Diese Form der Kommunikation ist unangemessen und keineswegs wertschätzend, auch wenn das Schulministerium in vielen Mails genau diese Wertschätzung besonders betont hat.

Mangelhaft ist nicht nur der Austausch zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten, auch der des Ministeriums mit Schüler*innen und den Eltern hat nicht richtig funktioniert. Betroffene glauben mittlerweile, dass dem Ministerium die passende Einschätzung der Realität abhandengekommen sei. Ein Hygienekonzept schreibt sich nicht in zwei Tagen – von der Umsetzung ganz zu schweigen – individuelle Stundenpläne für Teilgruppen lassen sich nicht in wenigen Tagen errechnen und anpassen, Prüfungen unter diesen Bedingungen zu organisieren und durchzuführen ist eine Herkulesaufgabe für die Schulen, bei der sie Unterstützung brauchen und nicht maximalen Druck. Seiner Verantwortung als Arbeitgeber für Tausende Beschäftigte wird das Land so nicht gerecht.

Alleingänge der Politik waren unnötig

Gut wäre es gewesen, wenn zum Beispiel in den Osterferien unter rechtzeitiger Beteiligung aller – unter anderem der Gewerkschaften, Elternvertretungen, Schüler*innenvertretungen und Schulträger – ein planbares und umsetzbares Konzept zur Wiedereröffnung der Bildungseinrichtungen erarbeitet worden wäre. So ein Plan hätte den Schulen ausreichend zeitlichen Vorlauf gegeben, um gut und für alle Seiten verlässlich zu arbeiten. Dass beispielsweise die Prüfungen insgesamt ruhig verlaufen sind, ist das Verdienst der Schulleitungen und Kolleg*innen vor Ort.

Selbstverständlich ist die Entwicklung der Corona-Pandemie dynamisch, die Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus und seine Bekämpfung entwickeln sich noch. Den Forderungen von unter anderem vier Krankenhausgesellschaften nach sofortiger Öffnung der Kitas und (Grund-)Schulen im Regelbetrieb stehen Einschätzungen von anerkannten Virologen und dem Robert-Koch-Institut entgegen. Die Erkenntnislage ist nicht eindeutig. Umso mehr ist die daraus entstehende Verunsicherung von Beschäftigten anzuerkennen und nicht abzutun.

Unterstützung ist gefragt

Damit nach der Sommerpause Einrichtungen geöffnet und Präsenzunterricht in den Schulen und Hochschulen wieder stattfinden kann, müssen nun alle Beschäftigten und alle Kinder, Jugendlichen und Studierenden wirksam geschützt werden. Dafür brauchen wir jetzt Planungssicherheit und keine zusätzlichen neuen Anforderungen. Das gilt auch für das Lernen auf Distanz, das in Schulen und Hochschulen von einem Tag auf den anderen eingefordert wurde. Lehrende und Unterrichtende haben sich auf den Weg gemacht, um mit der neuen Situation umzugehen, obwohl sie in puncto Ausstattung und Schulung kaum Unterstützung bekommen haben. Hier muss das Land dringend nacharbeiten, Konzepte, Fortbildung und Technik bereitstellen, damit datenschutzrechtlich unbedenklich gearbeitet werden kann. Auch das gehört unbedingt zu einem guten Krisenmanagement.