lautstark. 17.06.2020

Interview mit Fachberaterin zu Kita in Corona-Zeiten

„Vertrauensverlust in Wirksamkeit politischer Maßnahmen“

Für die Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen gibt es seit Beginn der Corona-Pandemie viel zu beachten. Eine wichtige Rolle spielen nach Ansicht der Diplomsozialpädagogin Gaby Mutschke die Arbeitgeber und Leitungen der Einrichtungen. Das Gespräch mit der Fachfrau fand vor der Wiederaufnahme des eingeschränkten Regelbetriebs am 8. Juni 2020 statt.

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  • Ausgabe: lautstark. 04/2020 | Gemeinsam durch die Krise
  • im Interview: Gaby Mutschke
  • Funktion: Diplomsozialpädagogin
  • Interview von: Nadine Emmerich
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

Was müssen Kitas tun, um die Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten?

Gaby Mutschke: Kindertagesstätten müssen schon seit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes 2001 Hygienepläne vorhalten. Mit dem Coronavirus stellt sich natürlich noch mal eine andere Herausforderung, und die Einrichtungen müssen ihre Pläne anpassen. Das kann immer nur individuell gestaltet werden. Es gibt eine Leitlinie der Landesregierung, an der man sich orientieren kann. Zu den dort genannten Aspekten gehören klare Regeln, wer im Flur spielen darf und wie groß der Bettenabstand in den Schlafräumen sein muss. Kuschelecken sollen möglichst entfernt werden, das Bällebad wird geschlossen. Es gibt keine Frühstücksbuffets und keine Getränkebars mehr. Eltern sollen beim Bringen und Abholen
der Kinder einen Mund-Nase-Schutz tragen.

Welche Sorgen von Erzieher*innen werden Ihnen als Fachberaterin mitgeteilt?

Gaby Mutschke: Es dreht sich viel darum, dass die Perspektive fehlt. Es ist alles sehr unsicher, das kann zu Ängsten führen. Wir erleben auch einen Vertrauensverlust in die Wirksamkeit der politischen Maßnahmen und eine geringere Akzeptanz  von diesen. Eine wichtige Rolle spielen jetzt die Kitaleitungen: Sie müssen transparent, empathisch und fürsorglich handeln und Prozesse und Regeln klar erklären. Sie müssen Mitarbeitende beteiligen und in Kontakt zu denen bleiben, die derzeit nicht im Einsatz sind, weil sie zu den Risikogruppen gehören.

Wie sollten sich Beschäftigte aus Risikogruppen verhalten, wenn sie in der Kita dringend gebraucht werden?

Gaby Mutschke: Das ist ein großes Spannungsfeld, einerseits die Arbeitgeberverantwortung und andererseits die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden. Zunächst gilt: Es gibt kein Arbeitsverbot. Das bedeutet, dass beide Seiten aufeinander zugehen und klären müssen: Gehört jemand nur aufgrund seines Alters zur Risikogruppe, hat aber keine Vorerkrankungen – und kann und will arbeiten? Oder ist jemand chronisch krank, und es besteht die Gefahr, bei einer Ansteckung einen schwereren Verlauf zu haben? Letztlich geht es da immer um gute Kommunikation: Die Aufgabe ist, Probleme gemeinsam kreativ zu lösen.

Wie wirken sich coronabedingte Arbeitsumstände auf die Psyche von Erzieher*innen aus?

Gaby Mutschke: Da fehlt unseren Beobachtungen noch die Langfristigkeit. Was wir feststellen, ist, dass einige Fachkräfte im Kontakt mit den Kindern distanzierter sind. Das sind oft Mitarbeitende, die bereits einen Corona-Fall erlebt haben. Da entsteht große Unsicherheit: Wann darf ich ein Kind auf den Arm nehmen? Und wann bleibe ich zurückhaltender?

Welche Rolle kommt Erzieher*innen zu, Kindern die Ausnahmesituation zu erklären?

Gaby Mutschke: Letztlich müssen sie wie immer gute pädagogische Arbeit leisten. Das bedeutet: genau hinschauen. Manche Kinder kommen ganz gut durch die Situation. Für die ist es schon fast normal, wenn Menschen Masken tragen. Alle Kinder sind grundsätzlich neugierig. Das können Fachkräfte aufgreifen und mit ihnen Ideen entwickeln. Das geht zum Beispiel bei der Frage, wie sie auch ohne Frühstücksbuffet auswählen können, was sie essen möchten.

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