lautstark. 09.06.2022

Öffentlicher Dienst: Mehr Attraktivität geht anders

BelastungArbeits- und GesundheitsschutzHochschullehre

Was bringt das Gesetz zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes?

Die schwarz-gelbe Landesregierung hat vor Ende ihrer Legislaturperiode das Gesetz zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes mit ihren Mehrheiten gegen die Stimmen der Opposition durchgesetzt. Wir haben das Gesetz für den Schul- und Hochschulbereich unter die Lupe genommen.

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  • Ausgabe: lautstark. 03/2022 | Besser arbeiten: Arbeitsplatz Bildung attraktiver machen
  • Autor*in: Ute Lorenz
  • Funktion: Expertin der GEW NRW für Beamt*innenrecht
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Alternierendes mobiles Arbeiten: Welche Regelungen sieht das Gesetz vor und was bedeutet das für Lehrkräfte und Angestellte an Hochschulen?

Das Landesbeamtengesetz (LBG) enthält nun in § 60 Absatz 4 einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung durch die Dienststellen bei Anträgen für alternierende mobile Arbeit. Es soll also einfacher durchsetzbar sein, von zu Hause aus zu arbeiten. Allerdings gilt dies nicht für Lehrkräfte.

Die GEW NRW kritisiert, dass Lehrkräfte in dem Gesetz keine Berücksichtigung finden, obwohl die mobile Arbeit für Lehrkräfte – außerhalb der Unterrichtszeit – ein Normalfall ist. Das Gesetz hätte endlich auch für das mobile Arbeiten von Lehrkräften belastungsreduzierende Regelungen enthalten können. Des Weiteren bemängelt die GEW NRW grundsätzlich, dass im LBG mit der Regelung fürs alternierende mobile Arbeiten eine Regelung zu Dienstvereinbarungen enthalten ist. Dies ist eine personalvertretungsrechtliche Angelegenheit und gehört daher ins Landespersonalvertretungsgesetz. An den Hochschulen überwiegt die Zahl der Arbeitsverhältnisse sogar die Dienstverhältnisse, sodass eine Regelung im LBG ins Leere läuft. Wenn Leitungen nicht bereit sind, eine Dienstvereinbarung abzuschließen, könnten sie ohne die Beteiligung von Personalräten den Beschäftigten das mobile Arbeiten verweigern.

Beruflicher Wiedereinstieg nach Elternzeit oder familiärer Beurlaubung: Warum führen die neu geregelten Maßnahmen bei Lehrkräften zur Benachteiligung?

Maßnahmen zum beruflichen Wiedereinstieg nach Elternzeit oder familiärer Beurlaubung sollen verbindlich in die Personalentwicklungskonzepte der Behörden aufgenommen werden. Geregelt wird die Teilnahme an einer Fortbildung während der Beurlaubung, die einen Anspruch auf bezahlte Dienstbefreiung nach Ende der Beurlaubung begründet. Die Dauer ist auf maximal fünf Arbeitstage begrenzt. Für Lehrkräfte gilt dieser Anspruch nicht, denn: Unterrichtsausfall soll vermieden werden. Für Lehrkräfte sieht das Gesetz deshalb vor, dass ihnen eine bezahlte Dienstbefreiung auch innerhalb der unterrichtsfreien Zeit nach dem Wiedereinstieg gewährt wird. Eine Freistellung von Lehrkräften während der Unterrichtszeit ist möglich, wenn Unterrichtsausfall durch organisatorische Maßnahmen vermieden werden kann, beispielsweise durch eine gesicherte Vertretung.

Die GEW NRW sieht hier eine klare Benachteiligung der Lehrkräfte, die weder begründbar und noch akzeptabel ist. Es handelt sich lediglich um fünf Tage! Der Dienstherr ist hier in der Pflicht, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, sprich: den Lehrkräftemangel zu beheben, sodass Unterricht gesichert stattfinden kann und Lehrkräfte zu anderen Landesbediensteten gleich behandelt werden.

Langzeitarbeitskonten: Insbesondere durch die Einführung von Langzeitarbeitskonten will die Landesregierung die Attraktivität des öffentlichen Dienstes sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben stärken. Was bedeutet das für Lehrkräfte?

Ergänzend zu den bereits bestehenden Möglichkeiten, sich vorübergehend unter bestimmten Voraussetzungen von der Dienstleistungspflicht freistellen zu lassen, regelt das Gesetz nun, in allen Behörden im Anwendungsbereich der Arbeitszeitverordnung, Langzeitarbeitskonten für ihre Beamt*innen einzuführen. Zwingende Voraussetzung für die Einrichtung von Langzeitarbeitskonten ist, die Arbeitszeit zu erfassen. Da diese Voraussetzung bei Lehrkräften nicht erfüllt wird, können für sie keine Langzeitarbeitskonten eingerichtet werden. Die Arbeitszeit von Lehrkräften wird nicht erfasst, weil es für sie besondere arbeitszeitliche Regelungen gibt wie Unterrichtszeit, Ferien und außerunterrichtliche Arbeit. Eine Arbeitszeiterfassung außerhalb von Unterrichtsstunden sowie Antragsverfahren auf Erholungsurlaub, wie sie im Verwaltungsbereich durchgeführt werden, finden im Bereich Schule nicht statt. In der Begründung des Gesetzes wird deshalb auf die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung im Blockmodell (sogenanntes Sabbatjahr) nach § 65 des Landesbeamtengesetzes verwiesen.

Die GEW NRW kritisiert, dass die schwarz-gelbe Landesregierung an der überlangen Wochenarbeitszeit für Beamt*innen von 41 Stunden festhält und die hier enthaltene freiwillige Erhöhung auf 44 Wochenstunden bei der bestehenden Belastung das Gegenteil einer Attraktivitätsoffensive ist.

Behördliches Gesundheitsmanagement: Was soll geändert werden und welche Auswirkungen ergeben sich für den Schulbereich?

Die Verortung der Verantwortung des Behördlichen Gesundheitsmanagements (BGM) beim Dienstherrn ist besonders relevant für seinen Erfolg. Das BGM bedarf einer klaren und aktiven Unterstützung durch die Dienststellenleitungen und ausreichender finanzieller und personeller Ressourcen. Deshalb sollen in jeder Behörde – also auch im Ministerium für Schule und Bildung (MSB) – ein unterstützendes Gremium eingerichtet werden. Bei der Auswahl der Mitglieder soll auf eine Vertretung der relevanten Gruppen Wert gelegt werden: Dazu gehören unter anderem die jeweilige Leitungsebene, die Personalvertretung, die*der Gleichstellungsbeauftragte, die Schwerbehindertenvertretung sowie Vertreter*innen der Bereiche Gesundheitsmanagement, Gesundheitsförderung, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Arbeitsschutz.

Problematisch ist im Schulbereich das Auseinanderfallen der verschiedenen Zuständigkeiten. Das MSB verantwortet derzeit nur die Beauftragung des betriebsärztlichen Dienstes (BAD). Der im MSB installierte Arbeitsschutzausschuss ist ein im Sinne des Arbeitssicherheitsgesetzes § 11 gebildetes Gremium und berät nur über die Angelegenheiten des Arbeitsschutzes. Der Gesundheitsschutz wird den Schulleitungen zugeschrieben.

Die GEW NRW meint, dass nach LBG § 76 Absatz 3 für das behördliche Gesundheitsmanagement ein ständiges Gremium eingesetzt beziehungsweise bestimmt werden soll. Das ist bisher beim MSB nicht geschehen. Die mit dieser Gesetzesänderung gedachte weiter gehende Steuerung eines umfassenderen Gesundheitsmanagements muss umgesetzt werden.

Forschungs- und Lehrzulage: Welche attraktivitätssteigernden Maßnahmen soll es im Hochschulbereich geben?

Juniorprofessor*innen soll eine nicht ruhegehaltfähige Forschungs- und Lehrzulage von bis zu 100 Prozent des Jahresgrundgehalts gewährt werden. Zudem wird durch das Gesetz ermöglicht, dass auch bei Einwerben von Drittmitteln eine Forschungs- und Lehrzulage gewährt werden kann.

Die GEW NRW meint, dass der Gesetzentwurf hinter den gewerkschaftlichen Anforderungen zurückbleibt. Forschungs- und Entwicklungsleistungen sind häufig Teamleistungen. An solchen Teams sind nicht nur Professor*innen und Juniorprofessor*innen beteiligt, sondern auch wissenschaftliche Mitarbeiter*innen.