lautstark. 24.04.2020

„Auf dem Platz bin ich wie ich bin“

AusbildungMitbestimmung

Schiedsrichter Steffen Schmitz über Respekt im Sport

Mit Fair Play kennt Steffen Schmitz sich aus. Der 24-Jährige ist Schiedsrichter in der Kreisliga und studiert Mathematik und Sozialwissenschaften auf Gymnasiallehramt an der Uni Duisburg-Essen. Im Interview mit der lautstark. erzählt er, was Respekt auf dem Fußballplatz bedeutet und wie sich das Verhalten der Spieler*innen verändert hat.

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  • Ausgabe: lautstark. 03/2020 | Respekt ist Wertschätzung
  • im Interview: Steffen Schmitz
  • Funktion: Schiedsrichter in der Kreisliga und studiert Mathematik + Sozialwissenschaften auf Gymnasiallehramt
  • Interview von: Fritz Junkers
  • Funktion: ehrenamtlicher Redakteur im NDS Verlag
Min.

Was bedeutet Respekt im Sport für dich?

Respekt bedeutet für mich im Alltag, im Sport wie auch im Fußball dasselbe. Überall sollte uneingeschränkt gelten: Es wird niemand beleidigt oder aufgrund irgendeines Aspektes diskriminiert und wir begegnen uns menschlich auf Augenhöhe. Es heißt aber auch, dass man nicht immer einer Meinung sein muss und sich streiten kann, allerdings so, dass man sich mit der Sichtweise des Gegenübers auseinandersetzt, sich am Ende des Spiels in die Augen schauen und die Hand geben kann.
Generell gilt: Der Ton macht die Musik.

Du bist seit Oktober 2016 Schiedsrichter in der Kreisliga. Sind die Fußballer heute tatsächlich respektloser als früher?

Unsportlichkeiten wie auch Respektlosigkeiten gab es schon immer. Quantitativ kann ich keinen Unterschied feststellen, qualitav wird es sowohl im Jugend- als auch im Seniorenfußball bedenklicher. Die Beleidigungen werden unverfrorener, gehen unter die Gürtellinie und es gibt Bedrohungen. „Wir sehen uns Montag auf dem Schulhof...“ habe ich bereits unter Spielern gehört, das muss sehr ernst genommen, konsequent bei den Verantwortlichen angesprochen und auch von der Sportgerichtsbarkeit sanktioniert werden.

Gibt es denn Unterschiede zwischen den Generationen?

Gerade im Jugendfußball wollen fast alle Spieler wirklich nur kicken. Noch mehr als im Seniorenfußball spielt hier der Einfluss von außen eine Rolle. Der Trainer kann mit seiner Art an der Seitenlinie und Ansprachen an seine Schützlinge respektvolles – oder leider auch respektloses – Verhalten bedingen. Am negativsten werden die Jugendlichen definitiv von Zuschauer*innen beeinflusst, also meist der Verwandtschaft.

Durch viele pöbelnde und diskreditierende Kommentare, auch sehr gerne gegen junge Schiedsrichter, werden die Spieler zu eigenem Fehlverhalten angestachelt. Wenn es zu körperlichen Auseinandersetzungen in Jugendspielen kommt – was zum Glück noch selten passiert – sind es insbesondere die Erwachsenen, die für eine Eskalation der Situation sorgen, sowohl im Vorhinein als auch während der Auseinandersetzung.

Damit die Auseinandersetzungen nicht eskalieren oder es gar nicht erst soweit kommt, ist eine gute Menschenkenntnis sicher wichtig.

Absolut, es hilft sehr, wichtige Spieler einer Mannschaft zu identifizieren: Welcher Spieler kann mir durch seine Art das Spiel kaputt machen? Auf denjenigen muss ich besonders achten und ihm Grenzen aufzeigen, damit er die anderen nicht zu Respektlosigkeiten motiviert. Welcher Spieler ist seiner Mannschaft und dem Schiedsrichter wohlgesonnen? Diesen muss ich mir zum Freund auf dem Platz machen, um auch in schwierigen Situationen über ihn mit der Mannschaft kommunizieren zu können.

Wie verschaffst du dir in solchen Momenten Respekt auf dem Rasen? Und inwiefern hilft dir deine pädagogische Ausbildung dabei?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Situationen im Klassenzimmer und im Fußballplatz sehr ähnlich sind. Ich versuche, mich nicht zu verstellen und auf dem Platz so zu sein, wie ich wirklich bin. Generell habe ich durch meine Körpergröße und mein Alter Vorteile. Ganz wichtig sind aber immer eine stringente Körpersprache und Kommunikation. Ich versuche Vieles mit Gesprächen zu lösen, kann auch mal Weghören und drücke den Spielern, die mir blöd kommen möchten, auch mal einen Spruch.

Nichtsdestotrotz gebe ich klare Grenzen vor und interveniere konsequent, unmissverständlich und frühzeitig, wenn diese überschritten werden. Leider muss man je nach Spiel, Spielern und Spielverlauf diese Grenzen immer wieder neu anpassen. Gelingt das nicht, was auch Teil der Schiedsrichterei ist, büßt man eine Menge
Respekt ein, den man sich anschließend wieder hart erarbeiten muss.