lautstark. 14.04.2022

Politische Bildung und Neutralität im Einklang

Politische BildungAntidiskriminierungAntirassismus

Praxistipps für Demokratieerziehung

Wie gelingen politische Bildung und Demokratieerziehung in Zeiten eines Wahlkampfs? Was müssen Lehrkräfte mit Blick auf das Neutralitäts-, Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot beachten?

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  • Ausgabe: lautstark. 02/2022 | Mehr für Bildung: Deine Stimme zählt
  • Autor*in: Manfred Diekenbrock
  • Funktion: freier Referent für gewerkschaftliche Bildung
Min.

1. Neutral sein und trotzdem eine Meinung haben

Beamt*innen¹ müssen neutral sein, indem ihre Amtsausübung gerecht und offen gegenüber unterschiedlichen Auffassungen ist. Das unterstreicht auch das Schulgesetz NRW, das allerdings laut Paragraf 2 „keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche Bekundungen“ duldet, die „die Neutralität des Landes oder den Schul­frieden gefährden oder stören“. Zur Amtsausübung gehört auch, das Grundgesetz zu verteidigen. Rassismus und Antisemitismus sind keine Meinungen und müssen zurückgewiesen werden.

2. In der Öffentlichkeit Zurückhaltung zeigen

Beamt*innen¹ sollen bei Kritik an staatlichem Handeln gemäß Beamt*innenrecht in Form und Inhalt „zurückhaltend“ auftreten. Insbesondere in den Monaten vor einer Wahl sollen Landesbedienstete sich nicht öffentlich zu Vorgängen ihres dienstlichen Aufgabenbereichs äußern, wenn dies parteipolitische Auswirkungen haben kann.

3. Kontroversen im Unterricht thematisieren

Im „Beutelsbacher Konsens“ wird die Kontroversität des politischen Unterrichts herausgestellt. Was in der Gesellschaft kontrovers sei, müsse auch im Unterricht als kontrovers dargestellt werden. Damit Schüler*innen vor Indoktrination geschützt sind, müssen sich Lehrkräfte an das „Überwältigungsverbot“ halten und Schüler*innen eine eigene Meinungsbildung ermöglichen. Demokratiefeindliche Positionen sind zurückzuweisen.

4. Politiker*innen einladen

Die neutrale Grundhaltung der Schulen wird keineswegs verletzt, wenn sie Podiumsdiskussionen mit Politiker*innen durchführen, um Meinungsstreit als Grundelement einer demokratischen Kultur in den politischen Unterricht zu integrieren. Parteien haben allerdings keinen Anspruch, eingeladen zu werden. Die Schule entscheidet darüber ebenso wie sie – durch Moderation, Vor- und Nachbereitung – für Vielfalt sorgt. In den Wochen unmittelbar vor einer Wahl sollte auf Veranstaltungen mit Bezug zum Wahlkampf verzichtet werden.

5. Einschüchterung entgegentreten

In den letzten Jahren hat die AfD Schüler*innen und Eltern aufgefordert, unliebsame Positionen von Lehrkräften auf „Prangerportalen“ zu veröffentlichen. Niemand sollte sich durch diese Versuche, mit Berufung auf Neutralität eine Atmosphäre von Denunziantentum zu schaffen, einschüchtern lassen. Wir müssen konsequent für Demokratie und gegen Rassismus eintreten. Die GEW NRW, ihre Personalräte und das Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage bieten Unterstützung.

 

¹ An dieser Stelle ist von Beamt*innen die Rede, weil Neutralitäts-, Mäßigungs und Zurückhaltungsgebot auf das Beamt*innenrecht zurückgehen. Da das Land diese Regelungen auch auf Angestellte überträgt, sind hier neben verbeamteten auch angestellte Lehrkräfte gemeint.