lautstark. 14.04.2022

GEW vor Ort: Die Vorstandsarbeit macht wieder Spaß

BildungsgewerkschaftMitgliedschaft

Die GEW NRW stärken

Um Vorsitzende*r eines GEW-Ortsverbandes zu sein, brauchte man früher vor allem einen großen Keller. Zum Ehrenamt gehörten die Lagerung und der Versand von bergeweise Materialien. Von solchen organisatorischen und logistischen Aufgaben sollen Kolleg*innen durch ein Projekt zur Stärkung der GEW NRW vor Ort entlastet werden.

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  • Ausgabe: lautstark. 02/2022 | Mehr für Bildung: Deine Stimme zählt
  • Autor*in: Nadine Emmerich
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

In Caroline Lensings Esszimmer haben sich früher nach Feierabend bis zu zehn Kolleg*innen getroffen und Hunderte Umschläge für die Mitglieder des GEW-Kreisverbands Neuss gefüllt. „Das hat sehr viel Zeit und Energie gekostet“, sagt die Vorsitzende. Ihr Zuhause kam ihr oft vor wie ein Lager. „In den Sommerferien hatte ich mal 40 Kartons mit GEW-Tassen bei mir stehen.“

Mehr Raum für politische Arbeit schaffen

Organisation, Verwaltung und Logistik stellten die Vorsitzenden und Leitungsteams jahrelang vor große Herausforderungen. Darunter litt die inhaltliche und politische Arbeit. Beim Gewerkschaftstag 2017 wurde daher beschlossen, ein Konzept zur Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit in den Gliederungen zu erarbeiten. Alle sollten gegen Beteiligung an den Kosten Dienstleistungen einer hauptamtlich besetzten Geschäftsstelle in Anspruch nehmen können – etwa Postversand, Mitgliederverwaltung, Pflege der Website und Organisation von Veranstaltungen. Das kann über den Einkauf einzelner Leistungen, einen Kooperationsvertrag mit einer Geschäftsstelle oder eine gemeinsam betriebene Regional- oder Bezirksgeschäftsstelle erfolgen.

Caroline Lensings Kreisverband Neuss schloss sich Anfang 2020 der Geschäftsstelle des Stadtverbands Düsseldorf an. „Meist telefonieren die Geschäftsführerin Anja Mühlenberg und ich montags und besprechen, was in der Woche erledigt werden muss: Materialversand an Schulen, Anmeldungen für eine Fortbildung oder das Catering für eine Veranstaltung“, sagt Vorsitzende Caroline Lensing. Früher seien 80 Prozent der Vorstandsarbeit organisatorisch gewesen, jetzt seien es noch rund 20 Prozent. „Wir haben auch durch die Professionalität der Düsseldorfer dazugelernt. Ich gebe jetzt zum Beispiel auch häufig Pressemitteilungen heraus“, sagt die Neusser Gewerkschafterin. So habe der Kreisverband eine stärkere Sichtbarkeit in den lokalen Medien erreicht. „Die Vorstandsarbeit macht wieder Spaß.“

Eine Zusammenarbeit, die sich bezahlt macht

Per Kooperationsvertrag kauften die Neusser einen Anteil der Arbeitszeit von Anja Mühlenberg sowie der Nutzung des Düsseldorfer Büros. Die Geschäftsführerin, die für insgesamt knapp 2.900 Mitglieder zuständig ist, arbeitet 20 Stunden für den Stadtverband Düsseldorf, drei für den Kreisverband Neuss und zwei für den Stadtverband Krefeld, der sich Anfang 2022 anschloss.

Viele Handgriffe oder Klicks, wie das Versenden von Material oder E-Mails, macht Anja Mühlenberg jetzt schlicht drei- statt einmal. Andere Tätigkeiten kamen hinzu: Sie telefoniert nun regelmäßig mit drei statt einer Vorsitzenden und ist Drehkreuz des Austausches. So profitierten nicht nur die Kleinen von der Kooperation, sagt sie. Ihr Vorstand hätte berichtet, der Informationsfluss und die Zusammenarbeit aller hätten sich noch mal intensiviert.

Die Kosten für die Geschäftsstelle werden geteilt, allerdings nicht gedrittelt oder an der Zahl der Mitglieder der Gliederung festgemacht, sondern an der Zahl der Arbeitsstunden: Düsseldorf übernimmt demnach 80, Neuss 12 und Krefeld 8 Prozent. Dieses Modell tüftelten die Kassierer*innen lange aus. Es galt, ein System zu finden, das für Neuss und später auch für Krefeld bezahlbar war. „Die Kooperation hat natürlich ihren Preis, aber sie macht sich bezahlt“, sagt Caroline Lensing.

Pionierprojekt in Ostwestfalen-Lippe

In Bielefeld gibt es unterdessen seit dem 1. Januar 2022 die erste eigene Geschäftsstelle auf Bezirksebene: die Geschäftsstelle Ostwestfalen-Lippe (OWL). In dieser schlossen sich alle sieben Gliederungen des Regierungsbezirks Detmold mit rund 5.300 Mitgliedern zusammen, wie der Bezirksvorstand der GEW Detmold, Stephan Osterhage-Klingler, erklärt.

Der Angestellte der früheren Geschäftsstelle des Stadtverbands Bielefeld, Christian Osinga, übernimmt wie Anja Mühlenberg in Düsseldorf zahlreiche organisatorische Aufgaben für alle Gliederungen. Die dadurch entlasteten Ehrenamtlichen sind weiter für die eigentliche Gewerkschaftsarbeit zuständig. Wichtig ist Stephan Osterhage-Klingler dabei: „Alles, was auf Bezirksebene verlagert und entschieden wird, erfolgt im Konsens, eine Mehrheitsentscheidung reicht nicht.“ 

Die Geschäftsstelle OWL soll zudem Mindeststandards an Angeboten und Beratung bieten. „Früher war das in den Untergliederungen sehr unterschiedlich: Einige schickten viele E-Mails an ihre Mitglieder, andere deutlich weniger. Es kann aber nicht sein, dass man regional unterschiedlich mit Informationen versorgt wird.“ Schließlich zahlten alle den gleichen Mitgliedsbeitrag.

In der GEW NRW erhofft man sich von den neuen Strukturen auch einen Schub für die Mitgliedergewinnung. Es werde immer schwieriger, Nachwuchs zu finden, sagt Stephan Osterhage-Klingler: „Jetzt kann man sagen: Viele Aufgaben werden für euch in der Geschäftsstelle erledigt.“ 

Aufbruchstimmung

Zu deren Finanzierung wurde im Regierungsbezirk Detmold der „Regionalfonds OWL“ gegründet, der sich aus drei Posten zusammensetzt: einem Anteil der Beitragsrückerstattung¹, dem Zuschuss, den es für die Geschäftsstelle Bielefeld ohnehin bereits gab, sowie einer für eine Übergangsfrist beschlossenen jährlichen Förderung vom Landesverband der GEW NRW in Essen. Zwar bleibe so zunächst weniger Geld für die Arbeit vor Ort, es könnten aber viel mehr Angebote ohne Extrakosten gemacht werden, sagt der Bezirksvorstand.

„Die Bezirksgeschäftsstelle OWL ist aus unserer Sicht die optimale Lösung für den Bezirk Detmold“, betont Svenja Tafel, Organisationssekretärin in der Landesgeschäftsstelle Essen. „Wir erleben dort eine regelrechte Aufbruchstimmung.“ Generell erfahre das Projekt derzeit einen „Riesenschwung“, etliche Gliederungen seien inzwischen durch Geschäftsstellen abgedeckt. 

Ein großes Thema bleibt indes das Geld: Der Gewerkschaftstag 2022 soll daher ein einheitliches und gerechtes Finanzierungskonzept beschließen. Im Kern geht es darum, wie die vorhandenen Mittel so eingesetzt und verteilt werden können, dass jede Gliederung, die eine Geschäftsstelle haben und eine Kooperation eingehen will, sich das auch leisten kann.

 

¹Mitglieder überweisen zwar an den Landesverband, die Gliederungen bekommen aber einen Teil davon zurück.