lautstark. 12.03.2021

Studie zum Lehrkräftemangel in den MINT-Fächern

LehrkräftemangelAusbildung

Fünf nach Zwölf

Im Auftrag der Telekom-Stiftung legte Bildungsforscher Klaus Klemm 2014 eine Studie zur Entwicklung der Nachfrage und des Angebots von MINT*-Lehrkräften vor, in der sich ein zunehmender Mangel an Lehrkräften abzeichnete. Die aktualisierte Fassung aus diesem Jahr zeigt: Die Situation an den weiterführenden Schulen in NRW spitzt sich zu.

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  • Ausgabe: lautstark. 02/2021 | Nachhaltig leben, lehren und lernen
  • Autor*in: Klaus Klemm
  • Funktion: Prof. i. R. der Universität Duisburg-Essen
Min.

Die Studie von 2014 bezog sich auf die weiterführenden Schulen Nordrhein-Westfalens der Jahre 2012 bis 2025. Sie legte offen, dass etwa ein Drittel von den bis 2025 erforderlichen Neueinstellungen in den sechs MINT-Fächern nicht besetzt werden können. Die fachspezifisch ermittelten Bedarfsdeckungsquoten reichten von 10 Prozent in Technik bis zu 94 Prozent in Mathematik (siehe Abbildung 1).

Steigende Schüler*innenzahlen, weniger Lehrkräfte

Seit dem Erscheinen der ersten Analyse haben sich die ausschlaggebenden Parameter verändert: Während damals noch von sinkenden Schüler*innenzahlen ausgegangen werden musste, ist inzwischen mit einem starken Anstieg der Schüler*innenzahl zu rechnen. Der Stellenmehrbedarf (Ergänzungsbedarf) wird also steigen. Zugleich hat sich die altersmäßige Zusammensetzung der Kollegien geändert: 2012/2013 waren 50 Prozent der Lehrkräfte älter als 50 Jahre, 2018/2019 nur noch 41 Prozent. Die Zahl der altersbedingt ausscheidenden Lehrkräfte wird also künftig geringer sein (Ersatzbedarf ). Schließlich gibt es eine weitere folgenreiche Änderung: Während die Zahl derer, die jährlich die Hochschulen mit einer Lehramtsprüfung verlassen, seit 2013 mit etwa 7.300 konstant geblieben ist, hat sich die Zahl der Lehramtsprüfungen in einem MINT-Fach von 2013 etwa 1.800 auf 2019 nur noch etwa 1.160, also auf zwei Drittel verringert.

Der Mangel bleibt – und wird noch größer

Vor diesem Hintergrund wurde die Studie von 2014 aktualisiert. Als Ausgangspunkt wurde das Schuljahr 2018/2019 herangezogen. In diesem Schuljahr wurde der MINT-Unterricht (siehe Abbildung 2) in der Gesamtheit aller Schulformen zu 13,9 Prozent fachfremd erteilt – am häufigsten (42 Prozent) im Fach Informatik, am seltensten im Fach Chemie (5,7 Prozent). In den Gymnasien wurde nur selten fachfremd unterrichtet (4,4 Prozent), in den Hauptschulen besonders oft (42,2 Prozent).

Um abzuschätzen, wie sich das Ausmaß fachfremd erteilten Unterrichts in den kommenden Jahren entwickeln wird, wurden die drei dafür ausschlaggebenden Faktoren betrachtet: der Ergänzungs- und der Ersatzbedarf sowie das Neuangebot. Aus dem Zusammenwirken dieser Faktoren ergaben sich für den Zeitraum bis 2030/2031 als Bilanzwerte von Lehrkräftebedarf und -angebot Bedarfsdeckungsquoten, die in keinem der sechs MINT-Fächer die 50 Prozentmarke übersteigen. In den Fächern Technik und Informatik erreichen sie nicht einmal die 10-Prozent-Marke (siehe Abbildung 1). Während in der Vorgängerstudie noch geschätzt wurde, dass 2025 lediglich ein Drittel der erforderlichen MINT-Lehrkräfte nicht zur Verfügung stehen würde, geht die aktuelle Studie davon aus, dass dies 2030 für zwei Drittel zutreffen wird (siehe Abbildung 1).

Dringend nötige Lösungsansätze

Angesichts dieser Dimension des Mangels, der sich bereits 2014 abzeichnete und gegen den seither nichts unternommen wurde, fällt es schwer, geeignete Lösungsansätze zu skizzieren. Sicher ist, dass ein ganzes Bündel in Betracht gezogen werden muss. Dazu zählen

  • die Gewinnung von Seiten- und Quereinsteiger*innen und die Bereitstellung qualifizierter Vorbereitungs- und Begleitprogramme
  • die Absenkung der Studienabbrecherquoten in den MINT-Lehramtsstudiengängen durch eine Verbesserung der Qualität der Lehre, durch die verstärkte Einrichtung fachdidaktischer Professuren in den MINT-Studiengängen und durch eine das gesamte Studium begleitende Studienberatung
  • die Etablierung von Studienmodulen, die Lehramtsstudierenden aus Fächern, bei denen ein Überangebot zu erwarten ist, die Möglichkeit bieten, in einem der MINT-Fächer eine Lehrbefähigung für die Eingangsphase der Sekundarstufe I zu erwerben

Angesichts der hier aufgezeigten Perspektive, die tendenziell für alle Bundesländer gilt, ist es schwer vorstellbar, wie die heranwachsende Generation im Feld von Informatik, Mathematik und Naturwissenschaften auf die Herausforderungen ihrer Zukunft vorbereitet werden kann – einer Zukunft, die in nahezu allen Arbeits- und Lebensbereichen durch Digitalisierung geprägt sein wird. Thomas de Maizière, Vorsitzender der Deutschen Telekom Stiftung, der Auftraggeberin der hier vorgestellten Studie, stellte dazu fest: „Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass es nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf ist.“

*Unter der Abkürzung MINT werden Unterrichts- und Studienfächer beziehungsweise Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zusammengefasst.

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