lautstark. 12.03.2021

Strukturwandel können wir – gemeinsam

Nachhaltigkeit

Initiativen der Gewerkschaften

Mit den Initiativen „NRW2020“ und „Stark im Wandel“ gestalten die DGB-Gewerkschaften den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen aktiv mit. Wichtig ist laut Anja Weber, DGB-Vorsitzende in NRW, die gleichwertige Berücksichtigung sozialer, ökonomischer und ökologischer Aspekte.

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  • Ausgabe: lautstark. 02/2021 | Nachhaltig leben, lehren und lernen
  • Autor*in: Anja Weber
  • Funktion: Vorsitzende des DGB Nordrhein-Westfalen
Min.

NRW als starkes Industrieland erlebt gravierende Umbrüche – einen Strukturwandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft. Klar ist, dass es in diesem Prozess Zielkonflikte gibt, die man nicht wegdiskutieren kann. Und auch nicht wegdiskutieren soll!

Dialog mit Politik, Wirtschaft und Wissenschaft

Unser Anspruch ist es, diesen Diskurs aufzugreifen und die verschiedenen Perspektiven zusammenzuführen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) NRW hat bereits 2015 die Initiative NRW2020. Gute Arbeit – Nachhaltige Entwicklung gestartet, die von allen Gewerkschaften innerhalb des DGB aktiv mitgetragen wurde. Im Dialog mit Politik, Wirtschaft und Wissenschaft haben wir vier Themenfelder bearbeitet, die der Schlüssel für die Umgestaltung der Wirtschaft und Gesellschaft sind: Arbeit, Innovation, Investition und Nachhaltigkeit. Die enge Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, die wir mit einem wissenschaftlichen Beirat organisiert haben, war dabei von ebenso großer Bedeutung wie die Arbeit unserer Stadt- und Kreisverbände, die in zahlreichen Veranstaltungen das Thema vor Ort aufgegriffen und konkretisiert haben.

Politische Gestaltung mit gesellschaftlichen Konsensen

Schon damals wurde deutlich, dass die Zukunft Nordrhein-Westfalens nur erfolgreich gestaltet werden kann, wenn wir drei Aspekte gleichberechtigt in den Blick nehmen: Soziale Fragen müssen dieselbe Aufmerksamkeit bekommen wie die ökonomischen und die ökologischen Aspekte. Nur wenn wir allen Seiten des Dreiecks die gleiche Priorität einräumen, können wir erreichen, dass niemand zurückgelassen wird.

An diesem Anspruch bleiben wir dran. Nach Abschluss der Initiative NRW2020 haben wir den Prozess Stark im Wandel aufgelegt, mit dem wir derzeit an den wichtigsten Fragen des Strukturwandels arbeiten. Mit dabei sind wieder alle acht Gewerkschaften und alle Untergliederungen des DGB NRW. Wir sind überzeugt: Strukturwandel, Digitalisierung und Klimaschutz müssen politisch gestaltet werden. Das geht nur, wenn wir gesellschaftliche Konsense herstellen. Bestes Beispiel sind das Rheinische Braunkohlerevier und die Steinkohle-Standorte im Ruhrgebiet, die durch den „Kohlekompromiss“ vor gewaltigen sozial-ökologischen Veränderungen stehen. Hier setzen wir konkret an und machen uns vor Ort stark für sichere und bezahlbare Energieversorgung, für neue Arbeitsplätze für Menschen aller Qualifikationsstufen sowohl im industriellen als auch im Dienstleistungsbereich, für Arbeit, die tarifgebunden und mitbestimmt ist, und für neue Qualifizierungsstrategien, um die Menschen mitzunehmen.

Elf Forderungen der Gewerkschaften

Vorläufiger Höhepunkt von Stark im Wandel war unser Kongress im März 2020 in Gelsenkirchen. Mit rund 200 Betriebs- und Personalräten und ehrenamtlichen Gewerkschafter*innen haben wir dem NRW-Wirtschaftsminister Prof. Andreas Pinkwart und dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz die von allen NRW-Gewerkschaften beschlossenen 11 Forderungen für einen erfolgreichen Strukturwandel überreicht und mit ihnen darüber diskutiert.

Kurzum: Mit den Initiativen NRW2020 und Stark im Wandel werden wir unserem gewerkschaftlichen Anspruch gerecht, gesellschaftlichen Wandel aktiv zu gestalten. Und das gemeinsam mit allen acht Gewerkschaften und allen, die sich in der DGB-Familie engagieren. Damit wir wirklich „Stark im Wandel“ sind.

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Elf Forderungen für erfolgreichen Strukturwandel

Nachgefragt

Nachhaltigkeit geht nicht ohne Investitionen – Interview mit Antonia Kühn (IG BAU)

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) trägt „Umwelt“ im Namen. Ökologie und Umwelt sind untrennbar und der Ursprung nachhaltigen Handelns. Wir haben mit der Regionalleiterin der IG BAU im Rheinland, Antonia Kühn, über das Thema Nachhaltigkeit gesprochen.

In vielen Branchen geht der Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit schleppend voran. Woran liegt das?

Antonia Kühn: Die Hauptknackpunkte liegen bei den mangelnden Investitionen und der fehlenden Weitsicht. Schauen wir uns beispielsweise den Gebäudesektor an. Hier nimmt die Energiewende zwar langsam Fahrt auf. Aber wenn die öffentliche Hand nicht deutlich mehr in die energetische Sanierung investiert, werden staatliche Gebäude die Klimaziele weiter verfehlen. Auch im privaten Gebäudesektor und bei der Verkehrsinfrastruktur gibt es noch viele Potenziale, die nur mit vorausschauenden Investitionen gehoben werden können. Über noch weit längere Perspektiven sprechen wir, wenn wir über die Rolle unserer Wälder und Grünflächen im Klimawandel sprechen. Ein Wandel zu einem nachhaltigen Forst ist eine Frage von Generationen.

Und welche Lösungen sieht die IG BAU, um den Klimaschutz in den beiden genannten Branchen voranzubringen?

Antonia Kühn: Wir schlagen vor, die bundesweit 186.000 öffentlichen Gebäude einem „Klimacheck“ zu unterziehen und die öffentliche Förderung für private Klimasanierung zu erweitern. Deutlich mehr Geld brauchen wir auch für den Forst. Jeder gesunde Wald und jede Grünfläche trägt zu einer besseren Klimabilanz bei. Derzeit erleben wir jedoch ein deprimierendes Waldsterben durch Dürren, Borkenkäfer und Stürme. Wir brauchen eine Offensive für gesunde Wälder und Klimaschutz.

Was ist dabei die größte gewerkschaftliche Herausforderung?

Antonia Kühn: In der Bauwirtschaft sind durch die dringend benötigte energetische Gebäudesanierung Arbeitsplätze gesichert und unsere Mitglieder können hier einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Wir müssen uns aber weiter für ihre gerechten Löhne und Arbeitszeiten einsetzen. Im Forstbereich sieht es dagegen anders aus. Mit zunehmenden Waldschäden nimmt die Belastung der Beschäftigten im Wald zu. Viele Forstwirt* innen leiden unter Burn-out. Wir brauchen dringend mehr Personal im Wald, um dem Waldsterben etwas entgegenzusetzen und die Beschäftigten zu entlasten.

Die Fragen stellten Sherin Krüger und Vanessa Glaschke.