lautstark. 12.03.2021

Weltfrauentag: Die Hälfte der Macht gehört den Frauen

FrauenChancengleichheit

Kommentar zur Quote

Am 8. März 2021 haben wir wieder den Weltfrauentag gefeiert. Der Tag, der symbolisch für Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau steht. Der Blick auf die Frauenquote in Wirtschaft, Politik und bei der GEW NRW zeigt, dass es bei der Umsetzung dieses Vorhabens immer noch hapert. Ayla Çelik, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW NRW, plädiert für einen Kultur- und Mentalitätswandel.

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  • Ausgabe: lautstark. 02/2021 | Nachhaltig leben, lehren und lernen
  • Autor*in: Ayla Çelik
  • Funktion: stellvertretende Vorsitzende der GEW NRW
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Die vor vier Jahren gesetzlich beschlossene Frauenquote ist der Beweis dafür, dass Beschlüsse und Gesetze allein nicht zwingend ein Mehr an Frauen in Leitungspositionen bedeuten. Eine Analyse des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2020 zeigt, dass Deutschland bei der Umsetzung der Frauenquote in Führungsgremien von Unternehmen europaweit auf dem letzten Platz liegt.

Trotz Quote zu wenig Frauen in Leitungspositionen

Die GEW NRW hat sich bereits früh auf den Weg gemacht, Frauenpolitik als zentrales Querschnittsthema in der GEW zu verankern. Auf ihrem Gewerkschaftstag 2002 legte sie Gender- Mainstreaming als Prinzip ihrer Organisationsentwicklung fest. Da die Frauen nicht entsprechend ihres Mitgliederanteils in den Gremien auf Landesebene oder in den Vorständen von Untergliederungen vertreten waren, wurde 2016 schließlich die Umsetzung einer Quote beschlossen, die sich aufgrund der Mitgliederstruktur in einem Verhältnis von 70 Prozent Frauenanteil gegenüber 30 Prozent Männeranteil ausdrücken soll. Eine nähere Betrachtung der Gremienbesetzungen nach vier Jahren zeigt jedoch, dass die gewünschte Veränderung hin zu Erfüllung der Quote unterhalb der Spitzenämter sich weder auf der Landesebene noch in den Vorständen der Untergliederungen widerspiegelt.

Natürlich können und wollen wir uns als GEW NRW auf Dauer nicht damit zufriedengeben, dass im Bereich gewerkschaftlicher Gestaltungsmacht und des ehrenamtlichen politischen Engagements das weibliche Potenzial fehlt. Deshalb bestimmen Debatten, was getan werden muss, um mehr Frauen ins Ehrenamt und dort auch in eine Leitungsposition zu bekommen, unseren innergewerkschaftlichen Diskurs. Kontroverse Diskussionen werden geführt über „den leeren Stuhl“, die nachhaltige Nachwuchsförderung junger Frauen, Mentoring-Programme und die Schaffung von Strukturen, die Rücksicht auf die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Ehrenamt nehmen.

Gelebte Wirklichkeit zu wenig berücksichtigt

Unbestreitbar dürfen gesamtgesellschaftliche Fortschritte in Bezug auf die Gleichberechtigung nicht darüber hinwegtäuschen, dass Quoten ihre Wirkung zu verfehlen scheinen – und das nicht nur im Ehrenamt, sondern insbesondere auch in Politik und Wirtschaft. Anscheinend reicht eine Gleichberechtigung der Geschlechter vor dem Gesetz oder bei der Festschreibung einer Quote nicht aus, um den Frauenanteil in Leitungspositionen zu erhöhen. Obwohl beispielsweise Studien zeigen, dass gemischtgeschlechtliche Teams erfolgreicher sind und Firmen, in denen Frauen führende Positionen innehaben, mehr Gewinn erwirtschaften, schaffen es Frauen trotz der 2016 eingeführten Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen selten über das mittlere Management hinaus. Woran liegt das? Warum braucht Frau gesteuerte Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder zur Führungsverantwortung auch in Teilzeit, während Mann trotz Familie und Kindern ein Unternehmen führt und auch noch Zeit für Hobbys hat? Warum wird aktuell die Frage diskutiert, ob eine Frau mit Kindern „Kanzlerin“ kann?

Die politische Philosophin Silvia Federici behauptet, dass die frühere Annahme, Frauen würden über die Lohnarbeit Haushalt und Küche hinter sich lassen, illusionär gewesen sei. Denn die Frauen hätten neben der Lohnarbeit den Großteil der Hausarbeit zu erledigen. Und somit bedeute das erkämpfte Recht auf Lohnarbeit in der Rückschau lediglich das Recht auf noch mehr Arbeit. Zu der unbezahlten Hausarbeit sei eine zweite Arbeit hinzugekommen.

Wenn wir dieser Annahme folgen, dann stehen Forderungen nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie, besseren Betreuungsmöglichkeiten für Kinder sowie Führungsposten in Teilzeit in einem sachlogischen Zusammenhang als die konsequente Folge der gelebten Wirklichkeit von Frauen, die sich eben nicht durch Quotenregelungen und Gesetze ändert.

Kultur- und Mentalitätswandel voranbringen

Was bedeutet das nun für das gewerkschaftliche Engagement von Frauen und die GEW NRW? Familie, Beruf und dann noch Ehrenamt? Aufgeben, sich gar schicksalsergeben der Situation fügen, kann nicht infrage kommen. Der Aufgabe müssen wir uns ausgehend von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erneut stellen und zeitgemäße, effiziente Strukturen generieren: das heißt, unterstützende Ressourcen sowie Raum für Entfaltung und Weiterentwicklung schaffen, Frauen gezielt ansprechen und gewinnen, Unterstützungssysteme sowie Empowerment und Vernetzung ermöglichen. Besonders wichtig wird es sein, die eingeführten Maßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit regelmäßig zu überprüfen. Nur wer den Prozess offenlegt und bereit für Veränderungen ist, steigert die Attraktivität und ist motiviert, sich einzubringen und somit ein Ehrenamt übernehmen zu wollen. Ziel sollte demnach sein, den Kultur- und Mentalitätswandel voranzutreiben und zu etablieren.

Das Gleiche gilt auch außerhalb der GEW NRW: Mehr weibliche Vorstände können den gewünschten Mentalitätswandel mit antreiben. Das wird aber derzeit durch das Narrativ verhindert, es gäbe nicht ausreichend kompetente Frauen – als schlösse Frausein das Kompetentsein aus. Gängige Erklärungsmuster werden bemüht, wenn und wann immer es um Frauen und Beförderung geht. Dabei sind es gerade junge Frauen, die häufig einen höheren Bildungsabschluss besitzen. Eine Frage drängt sich auf: Sind alle derzeitigen politischen Ämter und höheren Posten in der Wirtschaft ausnahmslos nach Kompetenz und Erfahrung im jeweiligen Fachgebiet besetzt? Die Betrachtung selbst höchster Regierungsämter belegt das Gegenteil.

Gesamtgesellschaftlich sollte es unser aller Ziel sein, Frauen gleichermaßen Einfluss auf die Entscheidungen zu ermöglichen, die sich unmittelbar darauf auswirken, wie wir leben. Die Hälfte der Menschheit kann und sollte nicht nur Lastenträgerin und Zuarbeiterin sein, sondern muss aktiv auf der Entscheidungsund Machtebene mitgestalten und mitwirken.