lautstark. 27.01.2023

Medien: Früh positive Impulse setzen

Frühkindliche BildungMedienkompetenz

Mediennutzung im Kitabereich

Wie kann Medienbildung bei den Jüngsten gestaltet werden? Und welche Rolle kommt Kindertageseinrichtungen dabei zu? Wir haben darüber mit Buchautorin und Expertin Marion Lepold gesprochen.

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  • Ausgabe: lautstark. 01/2023 | Medien – Kritisch und kompetent konsumieren
  • im Interview: Marion Lepold
  • Funktion: Gründerin und Geschäftsführerin der Online-Akademie für mehr Qualität in Kitas (QiK)
  • Interview von: Denise Heidenreich
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

Was sagt die entwicklungspsychologische Forschung zur Mediennutzung gerade bei jüngeren Kindern?

Marion Lepold: Es ist zunächst wichtig, zwischen zwei Arten von Mediennutzung zu unterscheiden: Auf der einen Seite haben wir den reinen Medienkonsum, bei dem Kinder zum Beispiel durch ein Video stark auf den Bildschirm fokussiert oder von einer Spiele-App gefesselt sind. Auf der anderen Seite steht die aktiv-kreative Nutzung, bei der digitale Medien wie das Tablet als Werkzeuge eingesetzt werden. Die meisten Forschungsarbeiten, wie die Studie Bewältigung, Lernverhalten, Intelligenz, Kompetenz, Kommunikation (BLIKK), beschäftigen sich mit den Auswirkungen der konsumierenden Nutzung. Fakt ist, dass die Sogwirkung, die bei übermäßigem TV-Konsum und zahlreichen (Spiele-) Apps oder Computerspielen entsteht, problematisch sein kann und dass ein hoher Medienkonsum in jungen Jahren Auswirkungen auf die Entwicklung haben kann.

Denn Kinder brauchen Menschen, die mit ihnen interagieren, sie brauchen Gespräche und Bewegung, um sich zu entwickeln. Für den Kitabereich sind diese Studien meines Erachtens nicht so aussagekräftig, denn dort geht es um den aktivkreativen Einsatz. Damit beschäftigen sich nur wenige Projekte, wie zum Beispiel das
Medienkompetenzprojekt vom Institut für Frühpädagogik (IFP). In den bisherigen wissenschaftlich begleiteten Modellprojekten zeigt sich deutlich, dass eine Medienbildung im U3-Bereich wunderbar funktioniert und
dadurch auch positive Impulse in die Familien gegeben werden.

Warum ist es wichtig, die Jüngsten im U6-Bereich an eine kompetente Mediennutzung heranzuführen?

Marion Lepold: Unsere Kinder wachsen in einer Welt auf, in der digitale Medien zum Alltag gehören. Genauso wie sie in anderen Bereichen des Lebens Orientierung brauchen, benötigen sie auch Hilfe im Umgang mit
Medien. Ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr nehmen schon die Kleinen digitale Medien nicht mehr nur als Reizquelle, sondern als Botschaftenvermittler wahr. In diesem Alter zeigt sich erstes Interesse an den Inhalten und es entwickeln sich spezifische Vorlieben. Das ist der richtige Zeitpunkt, um mit einer geleiteten Medienbildung zu beginnen.

Gerade im Kitabereich sehen wir den Vorteil, dass die Einrichtung ein wichtiger Ort ist, um positive Impulse zu setzen und in manchen Fällen auch einen Gegenpol zum familiären Medienumgang bildet. Wenn ich ein Kind in der Gruppe habe, dass zuhause ein wenig anregendes Umfeld und ohne Beschränkung Medienzugang hat, kann aussagekräfes für das Kind ein AHA-Effekt sein, dass in der Kita die Medien genutzt und wieder weggelegt werden.

Was sind wichtige Faktoren bei der digitalen Mediennutzung in der Kita?

Marion Lepold: Es gibt zwei entscheidende Punkte, damit Medienbildung gelingt. Erstens sollten die digitalen Medien ein Baustein in einem anregenden Gesamtangebot sein. Kinder brauchen selbstverständlich weiterhin eine Umgebung, die Primärerfahrungen und haptische Erfahrungen ermöglicht. Es geht nicht darum, Bestehendes zu ersetzen, sondern Konzepte und Angebote sinnvoll um digitale Elemente zu ergänzen und zu erweitern. Natürlich ist ein digitales Medium, das neu in der Kita eingesetzt wird, hochinteressant. Das ist bei neuen Spielzeugen aber nicht anders. Mit der Zeit legt sich das und ich kenne genug Kitas, in denen ein Tablet über Wochen frei zugänglich ist und trotzdem niemand etwas damit macht.

Zweitens: Die Medienbildung in der Kita lebt von der Begleitung durch die pädagogischen Fachkräfte. Ich kann die Kinder nicht einfach machen lassen, sondern muss den Einsatz initiieren und begleiten. Zum Beispiel kann man ein „normales“ und ein digitales Mikroskop verwenden und die Unterschiede miteinander vergleichen. Damit erzeuge ich wunderbare Gesprächsanlässe, sehe den Wissenszuwachs und mache ganz alltagsintegriert Sprachförderung. So lassen sich früh positive Impulse für einen bewussten Medienumgang setzen.

Welche digitalen Medien leisten für den Kitabereich gute Dienste und wie können sie in der Praxis eingesetzt werden?

Marion Lepold: Das Tablet ist ein echter Alleskönner, da es sich vielfältig einsetzen lässt. Einrichtungen, die beim Einsatz digitaler Werkzeuge noch am Anfang stehen, können das Gerät im ersten Schritt erst mal „nur“ in die Hände der pädagogischen Fachkräfte geben, um zum Beispiel die pädagogische Dokumentation darüber zu machen. Im nächsten Schritt können die Kinder miteinbezogen werden, indem sie Fotos machen oder
O-Töne aufzeichnen. Wichtig ist, nah an den individuellen Schwerpunkten der eigenen Kita zu bleiben. Wenn eine Kita beispielsweise viel forscht und entdeckt, kann man überlegen, wie kann ich das digital machen. So entstehen nach und nach immer neue Ideen.

Ein weiterer Vorteil: Das Tablet kann durch viele digitale Werkzeuge wie Mikrofon, Beamer oder Stativ ergänzt werden. Darüber hinaus sind Medien wie die Vorleseeule, die autark Geschichten vorliest, oder ein digitales Mikroskop oder Endoskop für den Kitabereich toll. Ein noch junges Feld ist das Thema „Coding und Programmieren“. Das sehe ich definitiv in der Kita. Kinder können mit den Programmier-Werkzeugen kreativ werden und sich selbst damit ausdrücken. Darüber hinaus stärkt es die Problemlösekompetenzen der Kinder.