lautstark. 11.02.2022

Aus dem Tarifergebnis 2021 lernen

TarifrundeStreikGehalt

Stärker vernetzen und Veränderung vorantreiben

Wir haben für ein besseres Ergebnis für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder in den Tarifverhandlungen im Herbst 2021 gekämpft – das erzielte Ergebnis ist aber für viele enttäuschend. Jetzt müssen wir es anpacken und uns klarmachen: Wenn es in der nächsten Runde besser laufen soll, dann muss es anders werden!

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  • Ausgabe: lautstark. 01/2022 | Familie und Sorgearbeit: Zeit für Veränderung
  • Autor*in: Ayla Çelik
  • Funktion: Vorsitzende der GEW NRW
Min.

Zwei für uns zentrale Forderungen in der Tarifrunde 2021 waren die stufengleiche Höhergruppierung und die Übernahme der vollständigen Paralleltabelle. Diese Forderungen konnten wir nicht erkämpfen – trotzdem sie berechtigt sind, weil Tarifbeschäftigte für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn verdienen. 

Wahr ist: Solange diese Ungleichbehandlung geduldet wird, können wir nicht zufrieden sein! Wahr ist aber auch: Wir konnten den Großangriff der Arbeitgeber auf das Tarifgefüge abwehren! Ohne unsere Warnstreiks hätte sich die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) wohl überhaupt nicht bewegt. Erneut hat sich deutlich gezeigt: Wer die schwarze Null als finanzpolitische Leitlinie lebt, will nicht in die Zukunft und in bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten investieren, sondern sein Sparschwein mästen.

Die Tarifrunde 2021 war geprägt von der Blockadehaltung der Arbeitgeber, die sich im Angesicht der Pandemie und der vielfältigen Belastungen des öffentlichen Dienstes nicht zu schade waren, die Beschäftigten mit möglichst wenig abspeisen zu wollen. Sie haben gepokert und auf das Verantwortungsbewusstsein der Gewerkschaften gesetzt, die in der angespannten Lage nicht weiter flächendeckend zu Streiks hätten aufrufen können. Das muss uns nachdenklich stimmen.

Zwei Erfolge der Gewerkschaften bleiben: zum Arbeitsvorgang und zum TV-Stud

Die von den Arbeitgebern geplante Zergliederung des Arbeitsvorgangs hätte für viele Kolleg*innen eine Herabgruppierung und viel weniger Entgelt bedeutet. Das konnten wir gemeinsam abwehren. Die Haltung der Arbeitgeber war an dieser Stelle so deutlich wie starrköpfig: Erst wenn das Thema Arbeitsvorgang in ihrem Sinne gelöst ist, hätte über strukturelle Forderungen gesprochen werden können. Die dogmatische Verknüpfung haben die Minister*innen in den Ländern mitgetragen und damit die Verhandlungen zu vielen Punkten unmöglich gemacht!

Einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum TV-Stud haben wir mit der Gesprächszusage gemacht, die Beschäftigungsbedingungen der studentischen Beschäftigten in Zukunft zu verhandeln. Unsere strukturellen Forderungen nach der stufengleichen Höhergruppierung und der vollständigen Paralleltabelle blieben ergebnislos. Auch das muss uns nachdenklich stimmen. Immerhin: Die Eins-zu-eins-Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamt*innen in NRW wurde Anfang Januar 2022 erreicht.

In die Zukunft blicken: aufarbeiten und stärken für die nächsten Tarifverhandlungen

Nach dem Tarifergebnis 2021 ist der Auftrag an uns als Gewerkschaft deutlich: Wir müssen die Tarifrunde kritisch aufarbeiten, um in Zukunft kämpferischer hinter unseren berechtigten Forderungen zu stehen. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass nur durch die Analyse der Fehler in dieser Runde die nächsten Tarifverhandlungen besser werden können.

Dazu gehört zum einen, dass wir als GEW NRW unser Verhältnis im Gefüge der beteiligten DGB-Gewerkschaften klären. Zum anderen ist es aus meiner Sicht unerlässlich, innerhalb der GEW NRW in einen wertschätzenden, ehrlichen und transparenten Austausch darüber einzutreten, wie wir zukünftig unsere Arbeitskämpfe vor allem in Tarifrunden gestalten. Und wie wir unhaltbare Missstände kraftvoll in den gesellschaftlichen Diskurs rücken, ohne die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung zu scheuen. Tarifauseinandersetzungen sind keine ritualisierten Abläufe, sie dürfen durchaus das „Leid“ leidenschaftlich demonstrieren.

Noch mehr Beteiligung der Basis für bessere Mobilisierung und politische Durchschlagkraft

Aktivierung und Partizipation sind für erfolgreiche Arbeitskämpfe wichtige Pfeiler: An Entscheidungsprozessen und Organisationsstrategien sollen Ehrenamtler*innen vor Ort – die Basis der GEW NRW – stärker als bisher beteiligt sein. Wir müssen alles geben, um die rückläufigen Mobilisierungszahlen der GEW-Mitglieder neu zu beleben und die Streikbeteiligung aus- und aufzubauen. Eine starke Basis ist der Garant für politische Durchschlagkraft, die Grundlage für die Mobilisierungsfähigkeit bei jeder Tarif- und Kampagnenarbeit, bei der Gewinnung neuer Mitglieder und bei der Mitgliederbindung.

Wir sind nicht nur eine Bildungsgewerkschaft, sondern auch eine Tarifgewerkschaft. Dazu gehört die Fähigkeit, solidarische Arbeitskämpfe erfolgreich zu führen. Hier sehe ich auch die verbeamteten Kolleg*innen in unserer Organisation in der Verantwortung: Unser Kampf braucht die aktive Solidarität und Unterstützung aus allen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, um unsere Forderungen gegen die Kapital- und Stellvertreterpolitik durchsetzen zu können. Die stärkere Vernetzung der GEW NRW nach innen und außen ist fruchtbar und produktiv, weil sie Potenziale freisetzt und die Kraft bündelt.

Das Tarifergebnis in vier Punkten:

Corona-Sonderzahlung: 1.300 Euro

Entgelterhöhung: zum 1. Dezember 2022 um 2,8 Prozent

Laufzeit: 24 Monate

Entgelterhöhung für Praktikant*innen: 50 Euro

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GEW: Fragen und Antworten zum Tarifergebnis 2021