lautstark. 03.02.2021

Technostress bei Lehrkräften

BelastungDigitalität im UnterrichtDigitale AusstattungDatenschutzArbeits- und Gesundheitsschutz

Herausforderung digitaler Unterricht

Die Digitalisierungsprozesse in den Schulen sind in vollem Gange und haben durch die Präventionsmaßnahmen während der Corona-Pandemie weiter an Fahrt aufgenommen. Die anhaltende und oftmals durch „Hauruck-Projekte“ getriebene Dynamik stellt den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden vieler Lehrkräfte auf den Prüfstand.

Download pdf | 2 mb
  • Ausgabe: lautstark. 01/2021 | Lebensphasen: Jedes Alter gut gestalten
  • Autor*in: Dana Jarczyk (M.A.), Prof. Dr. Thomas Altenhöner
  • Funktion: Fachbereich Sozialwesen an der Fachhochschule Bielefeld
Min.

Die aktuelle Dynamik der Entwicklung ist im Sinne des DigitalPakts Schule erfreulich und gleichzeitig sinnvoll, bedeutet für die Lehrkräfte aber auch eine zusätzliche Herausforderung. Neben der Zunahme zu bewältigender digitaler Kommunikationsprozesse („traffic“) sind im Kontext sich stetig verändernder Digitalisierungsumstände weitere Anpassungsleistungen, zum Beispiel bei der Nutzung von Soft- und Hardware, erforderlich. Trotz der Vorteile, die digitales Arbeiten „auch“ bietet, bedeutet dies für viele Lehrkräfte eine Arbeitsbelastung, die häufig zu sogenanntem Technostress führt. Diese Unterform von Stress, deren Existenz sich auch bei Lehrer*innen bestätigen lässt, entsteht bei einem unangemessenen und gesundheitsschädigenden Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologie. Stressfaktoren im Arbeitsbereich Schule bestehen oftmals in Nichtpassungen, die beispielsweise zwischen dem medialen Bedarf und dem Mangel an technischer Ausstattung oder zwischen den Anforderungen und Erwartungen gegenüber den vorliegenden Rahmenbedingungen und Handlungsspielräumen von Lehrkräften liegen.

Ausstattung

Insgesamt herrscht bei Lehrkräften große Offenheit und Zustimmung gegenüber neuen Technologien, solange sie sinnvoll sind und den Lehr-Lern-Prozess unterstützen. Die Realität offenbart jedoch einige Problemfelder: Laut der BitkomStudie aus dem Frühjahr 2020 besteht an vielen Schulen noch immer ein Mangel an Hardwareausstattung. Hierzu zählen unter anderem Schüler*innen-Tablets, Beamer oder Laptops. Umgekehrt scheinen interaktive Whiteboards einen unnötigen Trend darzustellen, in dem eher wenig Mehrwert für die Unterrichtsgestaltung gesehen wird. Zudem erschweren neben Software-Updates – auch während des Unterrichts – längere Reparaturzeiten die Planungssicherheit vieler Lehrer*innen. Auch wird berichtet, dass die Nutzung von Endgeräten häufig mit hohen bürokratischen Aufwänden an der Schule verbunden ist, was sich negativ auf die Motivation auswirken kann.

Datenschutz, Entgrenzung und Mehrarbeit

Eine weitere Frust- und Stressquelle bei der täglichen berufsbezogenen digitalen Arbeit besteht in dem Dilemma zwischen vorherrschenden Datenschutzverordnungen und entsprechender Umsetzbarkeit von Lehrtätigkeiten. Das geschützte Verarbeiten personenbezogener Daten von zu Hause stellt viele Lehrkräfte vor substanzielle Herausforderungen und bedeutet zusätzliche Aufwände. Zudem verstärkt die gleichzeitige Nutzung von Mobiltelefon und Computer für private und berufliche Zwecke die Gesundheitsbelastung. Hinzu kommt die Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeitgestaltung – E-Mails werden oftmals auch abends oder am Wochenende beantwortet –, sodass die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit verschwimmen. Erholungsphasen kommen zu kurz. Eine Folge: Langanhaltende Stressphasen dominieren den Alltag vieler Lehrkräfte.

Lehrkräfte emotional erschöpft und unzufriedener

Auch der Ergebnisbericht einer aktuellen Befragung des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung IFT-Nord bestätigt, dass ein großer Teil der Lehrkräfte aufgrund von Veränderungen durch die Corona-Pandemie emotional erschöpfter und beruflich unzufriedener ist als vorher. Vielen Lehrer*innen fehlt der Freizeitausgleich sowie der persönliche Kontakt zu Kolleg*innen und Schüler*innen durch das anhaltende Arbeiten von zu Hause und die ständige Erreichbarkeit. Umgekehrt mangelt es oft an Anerkennung für den besonderen Arbeitseinsatz, sodass die Balance zwischen einerseits hohem Engagement und andererseits ausreichender Wertschätzung fehlt. Viele dieser Missstände haben sich nicht durch die Pandemie entwickelt, sondern sind durch sie offensichtlicher geworden. Eine besondere Last der komplexen Aufgaben, wie beispielsweise die Entwicklung von Medienkonzepten, die Instandsetzung und Betreuung von Endgeräten sowie schulinterne Fortbildungen, liegt bei den IT-affinen und engagierten Lehrkräften oder Schulleitungen, die sich zusätzlich zum allgemeinen Schulbetrieb darum kümmern.

Fazit

Das letzte Jahr hat verdeutlicht, dass ein erfolgreicher Digitalisierungsprozess an Schulen unterschiedliche Ressourcen braucht. Neben finanziellen Mitteln sind der organisatorische Aufwand und damit einhergehend angemessene personelle Ressourcen einzukalkulieren. Zudem ist es wichtig, die Lehrkräfte transparent aufzuklären und an der Umsetzung und Gestaltung von Digitalisierungsprozessen zu beteiligen. Die digitale Transformation an Schulen kann nur dann gelingen, wenn die in diesem Zusammenhang bestehenden Beanspruchungen von Lehrer*innen – beispielsweise im Hinblick auf das Stresserleben oder die psychische Gesundheit – gesehen werden und ausreichend Berücksichtigung finden.