lautstark. 03.02.2021

Corona-Pandemie: Schulen brauchen verlässliche Konzepte

CoronaArbeits- und GesundheitsschutzBelastungChancengleichheit

Langfristige Strategien fehlen immer noch

Während der Corona-Pandemie hat sich das Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Bildung, Bildungsgerechtigkeit und dem Recht auf Arbeits- und Gesundheitsschutz immer mehr aufgeladen. Hier ist die Bildungspolitik gefordert, endlich Konzepte zu liefern, um zumindest ein annäherndes Gleichgewicht herzustellen und Schule in dieser Krisenzeit für alle Akteure bestmöglich zu gestalten.

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  • Ausgabe: lautstark. 01/2021 | Lebensphasen: Jedes Alter gut gestalten
  • Autor*in: Ayla Çelik
  • Funktion stellvertretende Vorsitzende der GEW NRW
Min.

Mehr als neun Monate ist der erste Lockdown im Frühjahr 2020 her und es fehlt noch immer an langfristigen Strategien und Konzepten, die der Ausnahmesituation der Pandemie Rechnung tragen, über allgemeingültige ministerielle Vorgaben den Schulen eine sinnvolle Unterrichtsorganisation mit Vorlauf ermöglichen und ihnen dabei aufgrund unterschiedlicher Bedingungen vor Ort – personellen, finanziellen sowie sächlichen – ausreichend Gestaltungsspielraum lassen.

Fahren auf Sicht und Ad-hoc-Regelungen

Seit dem Ausbruch der Pandemie praktiziert das Ministerium für Schule und Bildung (MSB) eine Schulpolitik, die sich anhand zweier Merkmale beschreiben lässt: Fahren auf Sicht und Adhoc-Regelungen. Die Zeit nach dem ersten Lockdown wurde fahrlässigerweise nicht genutzt, um Maßnahmen für einen möglichen zweiten Lockdown und den damit einhergehenden Distanzunterricht zu entwickeln. Dass dies nötig gewesen wäre, zeigt die derzeitige Situation, hätte aber allen politisch Handelnden bereits im Sommer 2020 klar sein können. Vielen Schulen fehlen weiterhin die technische Ausstattung, datenschutzkonforme Software und digitale Endgeräte mit den notwendigen Ressourcen für deren Administration. Mancherorts fehlt sogar eine ausreichend starke Internetverbindung, um Distanzunterricht zu ermöglichen.

Unterricht braucht jetzt einen Plan B

Nicht nur im Bereich der Digitalisierung muss ein Rückstand von bis zu zehn Jahren überbrückt werden. Die letzten beiden Schuljahre sind keine regulären. Sich dieser Realität zu verschließen und über lange Strecken bei dem Mantra „Die Schulen sind keine Orte des Infektionsgeschehens“ zu bleiben, hat die Sicht auf und die Etablierung von alternativen Unterrichtsmöglichkeiten versperrt. Die Folgen betreffen insbesondere die Schüler*innen, die sowieso schon benachteiligt waren. Denn die – auch vor Corona – geltenden und den Bildungserfolg bestimmenden Faktoren, wie der sozioökonomische Status der Eltern, verschärfen durch die Verlagerung des Unterrichts in das häusliche Umfeld die Chancenungleichheit immens. Damit die Zahl der Bildungsverlierer nicht stetig in die Höhe steigt, ist es notwendig, benachteiligte Kinder, Kinder mit ungünstigen Lernvoraussetzungen und Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf dort abzuholen, wo sie stehen, und den Lernrückstand unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit anzugleichen, ohne Gleichmacherei zu betreiben.

Langfristig tragfähige Konzepte, die eine Partizipation aller gewährleisten und Ungleiches ungleich behandeln, somit gleiche Chancen für die Kinder und Jugendlichen sichern, müssen endlich umgesetzt werden. Solche Konzepte zu ermöglichen, geht mit finanziellen, zeitlichen und personellen Ressourcen einher sowie der Einsicht, dass Unterrichten unter Corona-Bedingungen einen Plan B braucht.

Konzepte fürs Arbeiten unter Pandemiebedingungen

Um ab dem 14. Februar 2021 in den Bildungseinrichtungen Konstanz zu gewährleisten und Bildung vor Ort planbar zu machen, braucht es klare Regelungen, die in Abhängigkeit des Infektionsgeschehens mindestens bis zu den Osterferien greifen. Das MSB muss jetzt die notwendigen Konzepte liefern, die Bildung für das Schuljahr 2020/2021 unter Pandemiebedingungen bei Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes möglich machen. Handlungsleitend sollten die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) sein. Gleichzeitig muss der Fokus auf den Ausgleich von Benachteiligungen und Lernrückständen gelegt werden. Dafür brauchen Bildungseinrichtungen mehr Personal – pädagogisches und nichtpädagogisches.

Offene Fragen jetzt klären

Es darf keine Zeit mehr vergeudet werden, um die Öffnung der Schulen verantwortungsbewusst zu gestalten und Antworten auf drängende Fragen zu liefern:

  • Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat sich für die Durchführung der Abitur- und Abschlussprüfungen ausgesprochen und ermöglicht, dass Schüler*innen das Schuljahr wiederholen ohne eine Anrechnung auf die Verweildauer – insbesondere in der gymnasialen Oberstufe. Schafft NRW diese Regelung auch? Wenn der Schwerpunkt auf die Prüfungsjahrgänge gelegt wird, wie wird der daraus resultierende Ausfall in den anderen Jahrgängen kompensiert?
  • Mit welchem Plan wird den Abiturient*innen 2021 die Unsicherheit bezüglich einer nicht ausreichenden Unterrichtsvorbereitung genommen?
  • Nimmt das MSB „Kompetenzorientierung“ ernst? Gibt es Vorgaben für Richtlinien und Lehrpläne im Corona-Schuljahr 2020/2021?
  • Werden alternierende Beschulungsformen sowie Verkleinerung der Gruppengrößen vorgenommen, um ein Lernen mit Abstand zu ermöglichen?
  • Gibt es Study-Halls?
  • Werden Fördermittel für die Ferienangebote gesichert und rechtzeitig kommuniziert, damit die Kommunen entsprechende Angebote entwickeln und umsetzen können Werden die ZP10-Prüfungen schulintern wie im Jahr 2020 organisiert werden können?

Schulen und alle am Schulleben Beteiligten brauchen Planungssicherheit, Verlässlichkeit und eine rechtzeitige transparente Kommunikation, um mit dieser Ausnahmesituation trotz oder gerade wegen vorhandener Missstände, die Folge der bildungspolitischen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte sind, umgehen zu können.

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