lautstark. 22.01.2020

FAQ: Nur gestresst oder schon im Burn-out?

BelastungEntlastungMitbestimmungVersorgung

Arbeitsbelastung

Die Grenze zwischen Stress und Burn-out ist fließend. Wir klären, wie man die Krankheit erkennen kann, wo Betroffene Hilfe bekommen und was Kolleg*innen tun können.

Download pdf | 6 mb
  • Ausgabe: lautstark. 01/2020 | Kindheit – Starke Kinder, starke Zukunft
  • Autor*in: Eva Herbst
  • Funktion: Trainerin, Beraterin und Coach mit den Schwerpunkten Burn-out und Stressmanagement
Min.

Was ist ein Burn-out?

Burn-out ist ein Krankheitsbild, das seit 2019 von der World Health Organisation in ICD-11, der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, wie folgt definiert wird: „Burn-out ist ein Syndrom, das als Folge von chronischem Stress am Arbeitsplatz konzipiert wurde und bisher nicht erfolgreich behandelt wurde.“ Burn-out bezieht sich auf Phänomene im beruflichen Kontext und solle nicht zur Beschreibung von Erfahrungen in anderen Lebensbereichen angewendet werden. Diese neue Definition bewertet der deutsche Burn-out-Forscher Prof. Dr. Matthias Burisch als Ausgrenzung von Arbeitslosen oder Menschen in Care-Zeiten. Früher wurde Burn-out als „chronische emotionale Erschöpfung und Energieverlust“ bezeichnet und bezog auch den privaten Kontext mit ein.

Wie gefährdet sind Kolleg*innen im Bildungsbereich?

Viele Befragungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Mitarbeiter*innen in Schulen eine hohe Arbeitsfreude haben. Sie fühlen sich dennoch zunehmend mehrfach belastet. Deshalb wird auch die Work-Life-Balance immer schwieriger. Auch die wachsenden Anforderungen mit Inklusion und Integration führen zu
höheren emotionalen Belastungen. Wenn die Arbeitsbedingungen, die multiprofessionelle Teamarbeit und Führung zusätzlich problematisch sind, fühlen sich immer weniger Kolleg*innen wohl.

So nehmen überlastungsbedingte Krankheiten, wie Burn-out, Depression oder Angststörungen zu. Um lange Fehlzeiten zu verringern, sind nach Auffassung von Psychologe Prof. Dr. Siegfried Greif von der Uni Osnabrück präventive Kombinationsangebote im betrieblichen Gesundheitsmanagement mit verhaltensorientierten Maßnahmen wirksam. Psychische Gefährdungsbeurteilungen am Arbeitsplatz sind hilfreich, um schulspezifische Belastungen und Ressourcen zu erkennen und passende Maßnahmen zu entwickeln.

Welche Symptome gehen mit einem Burn-out einher?

Die Symptome eines Burn-out-Syndroms lassen sich drei Hauptdimensionen zuordnen. Zum einen haben Betroffene Gefühle von Energieverarmung oder emotionaler, geistiger und körperlicher Erschöpfung. Sie haben eine erhöhte mentale Distanz von der eigenen Arbeit oder Gefühle von Negativismus oder Zynismus im Zusammenhang mit der eigenen Arbeit. Die Beziehung zum privaten oder beruflichen Umfeld ist meist belastet, sodass sie gereizt oder gleichgültig reagieren. Darüber hinaus empfinden Betroffene eine verminderte berufliche Wirksamkeit, sowie eine subjektiv verminderte Leistungsfähigkeit mit starken Unlustgefühlen gegenüber der eigenen Tätigkeit.

Im weiteren Verlauf zeigen sich Symptome, die schwer zu korrigieren sind: ein tiefer Widerwille gegen die
Arbeit oder die Arbeitsumstände, psychosomatische Symptome, ein krisenhafter Leistungseinbruch und
Arbeitsunfähigkeit, allgemeine Depressivität und Hoffnungslosigkeit, die eine Suizidgefahr mit sich bringen kann. Symptomatisch ist, dass die Erholungsfähigkeit stark eingeschränkt ist. Eine Erschöpfung kann nur mit Verzögerung oder gar nicht durch Schlaf oder Erholung abgebaut werden, weder am Wochenende noch im
Urlaub.

Welche Ursachen gibt es für ein Burn-out?

Als Ursache wird ein als ausweglos wahrgenommener Dauerstress gesehen. Ausgelöst wird ein Burn-out-Prozess durch länger andauernde Beanspruchung, durch subjektive Belastungen. Diese können beruflich bedingt wie zum Beispiel Konflikte mit Kolleg*innen oder privat etwa die Pflege von Angehörigen sein. Im Kern steht ein Gefühl der Überforderung, nachfolgender Hilflosigkeit und eventuell Hoffnungslosigkeit. Oft ist eine subjektiv unauflösliche Konfliktsituation der Auslöser, die wie eine Falle wirkt. Körperliche Symptome wie Ver-
spannungen, Rücken-, Herz-, Kreislauf-, Magen- und Darm-Beschwerden treten bei Lehrer*innen vermehrt auf.

Besonders oft werden in Mitarbeiter*innenbefragungen auch psychosomatische Symptome genannt wie Konzentrationsprobleme, Müdigkeit, Zerschlagenheit, Schlafstörungen, innere Unruhe und Nervosität. Viele
Lehrer*innen fühlen sich überfordert, können nach der Arbeit nicht abschalten, sind schnell verärgert und reagieren gereizt, obwohl sie es eigentlich nicht wollen. Andere müssen sich antreiben, überhaupt aufzustehen und fühlen sich schon morgens zerschlagen.

Die Beschwerden treten oft an Schulen auf, bei denen das Arbeitsklima oder die Führung ungünstig sind. Auch Schüler*innen oder Eltern, die als Belastung wahrgenommen werden und dadurch zu erhöhter emotionaler Beanspruchung werden, können verstärkt Burn-out auslösen. Schulen in Brennpunkten sind häufiger
betroffen.

Welche Faktoren sind externe Antreiber in Schulen?

Bei Befragungen in Schulen gaben Lehrkräfte ein Defizit der Work-Life-Balance, Zeitdruck, ein hohes Maß an Dokumentationsaufgaben und Aufräumarbeiten sowie emotionale Belastungen an. Auch Lärm und die
begrenzte räumliche Situation stellen für viele Lehrer*innen ein Problem dar. Dagegen sind die Anforderungsvielfalt, soziale Ressourcen, Schüler*innen, Entwicklungsmöglichkeiten und der eigene Handlungsspielraum für das Wohlbefinden besonders förderlich.

Burn-out oder Depression?

Burn-out kann leicht mit einer Depression verwechselt werden oder damit einhergehen. Im fortgeschrittenen Stadium ist Burn-out anhand der Symptome nicht mehr von einer Depression zu unterscheiden. Hier hilft allenfalls die Vorgeschichte zur Abgrenzung. Für eine Diagnose sind Fachärzt*innen oder Psychotherapeut*innen erforderlich. Coaches dürfen nur präventiv tätig werden und setzen Screening-Methoden ein, um abzuklären, ob eine Therapie oder Klink notwendig ist. Achtung: Bei suizidalen Äußerungen muss dringend der Krisendienst, das Gesundheitsamt oder die Polizei benachrichtigt werden.

Wie erkenne ich, ob jemand an einem Burnout leidet?

Ständige Überbelastung am Arbeitsplatz, verminderte Leistungsfähigkeit und Rückzug aus Freizeitaktivitäten sind auffällig. Treten diese Zustände vermehrt auf, sollte das als ernstes Warnsignal gesehen werden, dass die eigenen Grenzen überschritten worden sind. Ein Burn-out droht. Jedoch kommt es nicht von heute auf morgen. Es handelt sich um einen schleichenden Prozess, der sich über Wochen und Monate, manchmal über
Jahre erstreckt und durch Dauerstress ausgelöst wird. Bei Kolleg*innen fallen zunächst Verhaltensveränderungen auf. Darauf kann man sie ansprechen – bitte ohne gleich Tipps zu verteilen. Jede Situation und jeder Mensch ist anders. Es bedarf einer guten Diagnostik und individuell darauf abgestimmten Intervention.

Was kann ich tun, um ein Burn-out zu vermeiden?

Methodenkombinationen sind wirksam. Es ist sinnvoll, nicht nur am eigenen Verhalten anzusetzen, sondern auch Stressoren zu verringern und Ressourcen zu verstärken. Dazu ist betriebliches Gesundheitsmanagement hilfreich. Zur Vorbeugung eines Burn-outs hilft zunächst die Erkenntnis und Bereitschaft, an sich zu arbeiten. Außerdem ist es sinnvoll, sich mit den Ressourcen auseinanderzusetzen, die am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann eine Ressourcenorientierte Stressanalyse oder eine psychische Gefährdungsanalyse für den einzelnen Arbeitsplatz machen.

Um nach der Arbeit besser abzuschalten, können Meditations- und Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Yoga, Tai Chi und regelmäßige Bewegung weiterhelfen. Außerdem sollten Arbeitnehmer*innen darauf achten, genug zu schlafen, sich Auszeiten vom Handy und Laptop zu nehmen und sich gesund zu ernähren. Wissenschaftler*innen weisen allerdings nach, dass die Wirksamkeit und die Effekte der Interventionen bei starkem Burn-out schwach sind. Prof. Dr. Siegfried Greif empfiehlt daher spezifisch gestaltete Maßnahmen und lange Umsetzungsbegleitungen. Das ist auch bei einem Betrieblichen Eingliederungsmanagement zu
berücksichtigen.

Welche Unterstützung gibt es?

In Schulen können der betriebsmedizinische Dienst und Schulpsycholog*innen Erstgespräche führen. Es ist jedoch möglich, dass in der Personalakte ein Vermerk gemacht wird. Auch Personalräte können Ansprechpersonen nennen. Außerhalb der Schule sind Ärzt*innen und Psycholog*innen oder Kliniken gute Ansprechpartner*innen. Einige haben sich auf Burn-out bei Lehrkräften spezialisiert. Die Fachkräfte erstellen eine differenzierte Diagnostik und finden heraus, ob es ein Burn-out oder eine Depression ist. Außerdem gibt es Coaches mit Schwerpunkt Stress und Gesundheitsmanagement, die auf wissenschaftlicher Grundlage Screenings oder eine ressourcenorientierte Stressanalyse durchführen – allerdings nur bis maximal Stufe 3.

Mehr Wissen

Klick dich schlau!

Schulpsychologie NRW: Ihre Beratungsstelle